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Ein unverhältnismäßiger Lauschangriff

Von Andreas Krisch

Gastkommentare
Andreas Krisch ist Datenschutzexperte und Mitinitiator der Bürgerinitiative gegen die Vorratsdatenspeicherung.
© © Privat

Die sogenannte Vorratsdatenspeicherung greift massiv in das Grundrecht auf den Schutz der Privatsphäre ein.


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Ein kürzlich bekannt gewordenes Dokument der Europäischen Kommission zeigt auf, dass an der heftig umstrittenen Richtlinie zur verdachtsunabhängigen Speicherung aller Kommunikationsdaten nicht nur festgehalten werden soll, sondern dass sogar über eine Ausweitung dieser Maßnahme diskutiert wird.

Hingegen haben mehrere Verfassungsgerichte gegen die sogenannte Vorratsdatenspeicherung entschieden. Datenschützer und Menschenrechtsexperten äußern massive Zweifel daran, dass sie menschenrechtskonform ist.

Ab 1. April werden in Österreich jegliche Telefon- und E-Mail-Kommunikation sowie alle Verbindungen mit dem Internet für die Dauer von sechs Monaten protokolliert. Auch wenn Sie sich möglicherweise nicht mehr daran erinnern können, mit wem Sie vor sechs Monaten von wo aus telefoniert oder E-Mails ausgetauscht haben, wird dies für die zuständigen Behörden anhand Ihrer Kommunikationsdaten lückenlos nachvollziehbar sein.

Diese Vorratsdatenspeicherung, die der Bekämpfung von Terrorismus und schweren Straftaten dienen soll, greift massiv in das Grundrecht auf den Schutz der Privatsphäre ein. Solche Eingriffe sind jedoch laut Menschenrechtskonvention nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Nämlich dann, wenn der Eingriff verhältnismäßig und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist.

An der Verhältnismäßigkeit der flächendeckenden verdachtsunabhängigen Protokollierung der Kommunikationsbeziehungen aller 450 Millionen EU-Bürger darf mit Recht gezweifelt werden. Und auch die Notwendigkeit der Maßnahme konnte die EU-Kommission bisher nicht belegen.

Im Gegenteil, die EU-Kommission beklagt nun in einem internen Bericht, dass nur eine Minderheit der Mitgliedsländer überhaupt Daten zur Evaluierung der Maßnahme zur Verfügung gestellt hätte. Konsequenterweise ortet sie auch selbst schwerwiegende Mängel in der Richtlinie und wirft in weiterer Folge die Frage auf, wie der Wert der Vorratsdatenspeicherung am effektivsten demonstriert werden könnte.

Strafverfolgungsbehörden fordern trotz alledem eine Ausweitung der Überwachungsmaßnahme auf Internet-Chats, Up- und Downloads und weitere Kommunikationsmittel. Von anderer Seite wird auch noch eine Ausweitung auf Urheberrechtsverstöße gefordert.

Die Arbeitsgruppe des Rates, so das Ersuchen der EU-Kommission, möge diskutieren, wie die EU den Bedenken der betroffenen Strafverfolgungsbehörden und Branchenvertreter in den Mitgliedsländern am besten begegnen könne. Nach möglichen Antworten auf die Fragen der Zivilgesellschaft und die von den Verfassungsgerichten geäußerten Bedenken sucht die EU-Kommission hingegen nicht.

In Österreich setzt sich der Arbeitskreis Vorratsdaten für die Aufrechterhaltung des Kommunikationsgeheimnisses und eine Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung ein. Unter www.zeichnemit.at haben im Internet bereits mehr als 37.000 Menschen eine entsprechende Bürgerinitiative unterzeichnet.