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Finanzdebakel um Café Rosa als Hauptthema im ÖH-Wahlkampf.|Themenarmer Wahlkampf wird die traditionell niedrige Wahlbeteiligung wohl nicht steigern.
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Wien. Fast wäre der Urnengang untergegangen. Nach der Wehrpflichtvolksbefragung und den Landtagswahlen in Niederösterreich, Kärnten, Tirol und Salzburg schaut alles nur noch auf den Wahlkampf für die Nationalratswahlen im Herbst. Doch kommende Woche - von Dienstag bis Donnerstag - sind rund 260.000 Studierende an den 21 österreichischen Universitäten dazu aufgerufen, ihre Vertreter auf Uni- und Bundesebene zu wählen.
Dass die Wahl heuer eher als "Übergang zur Nationalratswahl" gesehen wird, wie es Politikberater Thomas Hofer ausdrückt, liegt aber nicht nur an der harten Konkurrenz, sondern auch an den Themen. Während bei der vergangenen ÖH-Wahl 2011 noch die Nachwehen der Audimax-Besetzung für Aufmerksamkeit sorgten, haben, so Hofer, die Fraktionen diesmal keine Reibeflächen im Bund - etwa in Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle. Damit kristallisierte sich auch kein klares Wahlkampfthema heraus. Zumindest keines, das über die Grenzen der ÖH hinaus von Relevanz gewesen wäre.
So nahmen vor allem die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG) und der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) das Finanzdebakel rund um das Café Rosa wieder auf. Die ehemalige Starbucks-Filiale auf der Währinger Straße in Wien-Alsergrund war im Mai 2011 mit Mitteln der Hochschülerschaft der Uni Wien als Studentencafé eröffnet worden. Schon damals sorgte die linke Exekutive - die Regierung der ÖH - mit den Stelleninseraten für Ärger: Anforderungen an die neuen Mitarbeiter waren etwa eine "anti-heteronormative" und "antiklerikale" Grundhaltung. Bald geriet das Café in finanzielle Schwierigkeiten: Zunächst blieben die Konzessionen für einen Küchenbetrieb und einen Gastgarten aus, später auch die Gäste. Nach einem Jahr und 450.000 Euro aus den ÖH-Pflichtbeiträgen musste das Café geschlossen werden, da sich kein Nachmieter findet, verschlingt die Lokalität weiter monatlich 4000 Euro.
ÖH-Chefin in der Kritik
Dass dieses Thema im Wahlkampf weiter ausgeschlachtet werden kann, liegt auch in der personellen Kontinuität begründet: Janine Wulz von den Grünen und Alternativen StudentInnen (Gras) war 2012 Chefin der Bundes-ÖH, als das Café Rosa gegründet wurde, leitete sie das Wirtschaftsreferat der ÖH der Uni Wien. Damit sieht sie sich nicht nur mit strafrechtlichen Konsequenzen konfrontiert, sondern auch mit dem Spott von AG und RFS. Die AG etwa zog im Wahlkampf mit einer übergroßen Taschenlampe durch das Alte AKH - "auf der Suche nach der verlorenen halben Million". Und für den bei ÖH-Wahlen stets schwächelnden RFS war das Finanzdebakel überhaupt gleich Wahlkampfthema Nummer eins. Nicht minder aktionistisch als die Schwarzen boten die Blauen an, das Café für den Wahlabend zu mieten oder aber 1500 Euro zu spenden.
Abseits dieser Querelen blieben die Wahlkampfthemen überschaubar. Da wäre einmal die AG, die seit Jahren schon die stärkste Kraft im Studierenden-Parlament, der Bundesvertretung, ist, aber meist von linken Koalitionen - derzeit aus den parteiunabhängigen Fachschaftslisten (FLÖ), der Gras und dem Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) - ausgebootet wird. Die Schwarzen sind auch im Wahlkampf auf einer Linie mit der ÖVP: Gefordert werden "faire und transparente Zugangsregeln", leistbares Wohnen und "Maßnahmen gegen Missbrauch" von ÖH-Beiträgen wie im Fall des Café Rosa.
Der Punkt "leistbares Wohnen" findet sich indes auch unter den Forderungen der Gras. Unipolitisch wollen die Grünen die Studieneingangs- und Orientierungsphase (Steop) durch ein "Studium generale" zu Beginn des Studiums ersetzen. Sie fordern freien Hochschulzugang ohne Zugangsbeschränkungen oder Gebühren, ein Grundstipendium in der Höhe von 800 Euro für alle und eine echte Hochschulmilliarde. Die Ausfinanzierung des Hochschulsektors ist auch für die FLÖ ein zentrales Wahlkampfthema. Analog dazu sprechen sich die Fachschaftslisten für eine Steigerung der Qualität der Lehre aus.
Der VSStÖ setzt wie gehabt auf soziale Kernthemen wie den Ausbau des Beihilfensystems für Studierende. Wie auch die Grünen wollen die Roten die Steop durch "echte Orientierung" ersetzen und den Studierenden auch selbst mehr Orientierung bieten - etwa durch ein Gütesiegel für Wohnheimbetreiber. Die Fraktion Engagierter Studierender (Fest) sieht sich in erster Linie als Stimme für die Rechte der Studierenden an den Fachhochschulen (FH) und Pädagogischen Hochschulen (PH). Diese sollen den Uni-Studenten mit Hilfe eines einheitlichen Hochschulgesetzes gleichgestellt werden. Die Studienbeiträge an den FHs wollen die Fest streichen. Als einzige Fraktion fordern die Jungen Liberalen (JuLis) mit dem Slogan "Deine Mutter zahlt mein Studium" Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen.
Kampf gegen Wählerverlust
Was alle Fraktionen eint, ist der Kampf gegen die stetig sinkende Wahlbeteiligung. Noch Ende der 1960er Jahre beteiligten sich 70 Prozent der Studierenden an der ÖH-Wahl, seither ging es stetig bergab. Nur noch 25,7 Prozent ließen sich 2009 hinter dem Ofen hervorholen, 2011 waren es wieder geringfügig mehr, was wohl der Aufmerksamkeit durch die Studentenproteste und der charismatischen und omnipräsenten ÖH-Chefin Sigrid Maurer (Gras) geschuldet war. 2009 ging der Versuch schief, mit einem Testlauf für das E-Voting die Wahlbeteiligung zu steigern. Im Gegenteil: Die Wahl wurde zwei Jahre später vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Nun versucht man es auf (fast) herkömmliche Weise: Mit fliegenden Plastikkühen wollen alle Fraktionen unter dem Motto "Wirkt schwer. Ist leicht" die Studenten an die Urnen locken. Und Bundespräsident Heinz Fischer hat in einer Videobotschaft zur Wahl aufgerufen.
Bei Interessenvertretungswahlen sei das Interesse ohnehin geringer, sagt Experte Hofer. Er sieht auch eine Art Teufelskreis: Die ÖH sei "nicht gerade wahnsinnig durchsetzungsstark", weshalb sich viele Wahlberechtigte die Sinnfrage stellten. Der geringe Rückhalt unter den Studierenden verhindere, dass die Hochschülerschaft mehr Gewicht bekommt.
Kaderschmiede war einmal
Auch das Image als Kaderschmiede der Parteien - schließlich kamen von Bundespräsident Heinz Fischer über den Wiener Bürgermeister Michael Häupl und Ex-ÖVP-Vizekanzler Wilhelm Molterer bis hin zum Grünen Nationalratsabgeordneten Karl Öllinger unzählige Politiker aus der ÖH -hat die Hochschülerschaft mittlerweile eingebüßt. Nur Maurer schaffte es an prominenter Stelle auf die Bundesliste der Grünen für die Nationalratswahl, eine ihrer Vorgängerinnen an der ÖH-Spitze, Barbara Blaha (VSStÖ), trat 2007 aus Protest gegen die Beibehaltung der Studiengebühren trotz gegenteiliger Ankündigung Kanzler Alfred Gusenbauers aus der SPÖ aus.
Dass die Parteien nicht in größerem Ausmaß ihr Personal in der ÖH rekrutieren, hält Hofer für strategisch ungeschickt. Schließlich diene die Hochschülerschaft nicht nur als Spielfeld, um sich politisch auszutoben, sondern auch als Schule, etwa um Sitzungsdisziplin und Wahlkampfführung zu erproben. Die Parteien brauchen Nachwuchs, aber "sie hindern die Jungen am Aufstieg", so Hofer. Auf der anderen Seite liege es aber auch an den ÖH-Fraktionen, die bewusst die Distanz zur "Mutterpartei" suchten. So liege viel Potenzial brach.
Wie die Listen ihr Potenzial nutzen konnten, wird man am Donnerstagabend sehen.