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Ein US-Besuch droht Taiwan-Konflikt anzufachen

Von Klaus Huhold

Politik
Taiwan rüstet sich gerade mit der jährlich größten Militärübung gegen einen möglichen Angriff.
© Reuters / Ann Wang

China ist empört, weil mit Pelosi hochrangige US-Politikerin nach Taiwan reisen will - und kündigt entsprechende Antwort an.


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Chinesische Medien packen derzeit wieder eine alte Rede vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump aus. Und zwar eine, in der er Nancy Pelosi von der Demokratischen Partei als "Crazy Nancy" bezeichnet. Die 82-Jährige ist eine scharfe Kritikerin Chinas - und entsprechend beliebt in der Volksrepublik. Nun sorgt sie aber für besonders viel Wut in Peking: Denn Medien haben berichtet, dass Pelosi Taiwan besuchen will. Nachdem sie die heikle Visite bisher nicht dementiert hat, ist anzunehmen, dass sie das tatsächlich vorhat.

"Wenn die US-Seite auf diesen Besuch besteht, wird China entschlossene und starke Maßnahmen ergreifen, um seine Souveränität und territoriale Integrität zu schützen", verkündete der Pekinger Außenamtssprecher Zhao Lijian. China sieht das de facto unabhängige, demokratisch regierte Taiwan als abtrünnige Provinz an, die sich die Volksrepublik, wenn notwendig auch militärisch, einverleiben will. Dass Peking Pelosis Besuch als besondere Provokation auffasst, liegt an deren Rang: Sie ist als Sprecherin des Repräsentantenhauses die Nummer drei in der US-Hierarchie hinter Staatschef Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris. In den vergangen 25 Jahren hat kein derart ranghoher US-Repräsentant die Insel besucht.

Selbst Biden zeigt sich über Pelosi wenig erfreut

Pelosi hat sich immer wieder als Kämpferin für die Freiheit, etwa auch für die Ukraine, positioniert - und befindet sich gerade mitten im Wahlkampf für die Kongresswahl im Herbst. Ihr Besuch geht aber offenbar selbst dem ebenfalls aus der Demokratischen Partei stammenden Biden zu weit. Er meinte, dass das US-Militär die Reise von Pelosi "derzeit für keine gute Idee" halte.

Am heutigen Donnerstag soll Biden mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping telefonieren. Das wird wohl die letzte Möglichkeit sein, um in dieser Causa die Wogen für beide Seiten gesichtswahrend zu glätten.

Doch das wird schwierig genug. Denn die Beziehungen zwischen den USA und China sind ohnedies angespannt wie schon lange nicht mehr: Den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat China nie verurteilt, sondern seine strategische Partnerschaft mit Russland betont. Darüber hinaus hat auch Biden nicht den von Donald Trump angezettelten Wirtschaftskonflikt mit China beendet. Es ist in den USA parteiübergreifender Konsens, dass das aufstrebende, antidemokratische China eingedämmt werden muss, während die Volksrepublik selbst immer deutlicher ihren gestiegenen globalen Machtanspruch demonstriert.

Beim Taiwan-Konflikt zeigt sich das besonders stark. Immer häufiger registrieren die Behörden in Taiwan Verletzungen der Flugkontrollzone rund um die Insel durch die chinesische Luftwaffe. Immer schärfer wird die Rhetorik von chinesischen KP-Funktionären und Medien gegen Taiwan. Auf der Insel selbst versucht man deshalb auch, sich immer besser auf den Ernstfall vorzubereiten, und hält gerade eine groß angelegte Militärübung ab.

Immer aggressiveres Auftreten

Unter der Führung Xi Jinpings breitet sich in der Volksrepublik eine von der Politik angeheizte nationalistische Stimmung aus - allein schon deshalb kann Peking den Besuch Pelosis nicht unbeantwortet lassen.

 

Offen ist nur, wie weit Peking gehen wird. Denkbar ist, dass China rund um den Besuch sein militärisches Säbelrasseln verstärkt. Kommentatoren in staatsnahen Medien fordern bereits, dass China den Luftraum für Pelosi, die mit einem Militärflugzeug unter Begleitschutz der US-Armee anreisen würde, sperrt. Das könnte so weit führen, dass chinesische Flugzeuge Pelosi aus dem Luftraum zu eskortieren versuchen. Möglich ist aber auch eine kurzfristige Seeblockade, die Taiwan von internationalen Handelsströmen abschneidet.

Inwieweit die USA den Taiwanern im Ernstfall zur Hilfe eilen, lässt sich nicht voraussagen. Die USA pflegen bezüglich Taiwan eine strategische Ambiguität: Sie sehen sich als Verbündeter Taiwans, lassen sich aber offen, ob sie Taiwan militärisch unterstützen würden. Präsident Joe Biden hat zuletzt aber betont, dass die Insel, wenn es hart auf hart kommt, mit Hilfe der USA rechnen kann. Auf alle Fälle hat der Konflikt das Potenzial, die nächste große globale Krise auszulösen - und er schaukelt sich gerade wieder gefährlich hoch.