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Ein veraltetes Bildungssystem, das früh selektiert und wenig Forschergeist zulässt

Von Brigitte Pechar

Analysen

Österreichs Bildungssystem mauert nach unten und öffnet oben. Es sind die falschen Kinder an den falschen Schulen, und dort erlernen sie kurzfristiges Wissen statt nachhaltiger Kompetenz. Dieses Manko kann durch Drehen einzelner Schrauben nicht behoben werden.


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Grundsätzlich: Es ist erfreulich, dass immer mehr Jugendliche die tertiären Bildungseinrichtungen erklimmen, es ist erfreulich, wenn die Zahl der Studienabgänger steigt, es ist erfreulich, dass sich Studierende für ihre Interessen einsetzen. Die derzeitige Debatte führt aber am strukturellen Problem der Bildungsmisere vorbei. Was fehlt, ist eine ernsthafte und vor allem sachorientierte Auseinandersetzung der Politik mit dieser zentralen Zukunftsfrage - unter Anhörung der unzähligen Studien!

Das beginnt bereits im Kleinkindalter. Wir wissen, dass Kinder soziales Lernen in der Gruppe besser bewältigen, dass Kinder durch den Aufenthalt in Kindergärten keinen Schaden nehmen, sondern beflügelt werden und vor allem die Sprache noch spielerisch erwerben. Dennoch war bisher der Kindergarten erstens teuer (fast so teuer pro Monat wie ein Semester Studiengebühren) und zweitens ist er noch immer nicht verpflichtend. Zu diesem Schritt, dass zumindest alle Fünfjährigen den Kindergarten besuchen müssen, kann sich die Politik noch immer nicht durchringen.

Die Volksschule muss die unterschiedlichen Vorkenntnisse erst einmal ausgleichen - vor allem bei der Sprache - und möglichst allen Kindern gute Aufstiegsmöglichkeiten bieten. Je nachdem, ob die AHS gerade mehr oder weniger Kinder benötigt, wird am Ende der vierten Volksschulklasse benotet. (Dass unser Notensystem nichts über die Fähigkeiten der Schüler aussagt, wissen wir ebenfalls.)

Die Selektion mit zehn Jahren - Trennung in Hauptschule und AHS - erfolgt entlang der sozialen und ökonomischen Hierarchien in diesem Land. Sie bewirkt soziale Reproduktion und hat nichts mit tatsächlichen Begabungen zu tun. Das ist ebenfalls seit Jahrzehnten belegt.

Die AHS-Lehrer müssen sich derzeit gar nicht bemühen, möglichst alle ihre Schüler zu fordern und ihnen zu einem Aufstieg zu verhelfen. Wer nicht mitkommt, kann ja in die Hauptschule abgeschoben werden. Das ist ein wesentlicher Faktor, warum auch noch in der AHS eine Selektion nach ökonomischen Gesichtspunkten erfolgt: Denn wer es sich leisten kann, bietet seinen Kindern Lernhilfen an. In fast keinem anderen Land geben Eltern so viel für außerschulischen Nachhilfeunterricht aus. In diesem schulischen Umfeld wird auch kein Forschergeist geweckt.

An den Schulen wird also ausgewählt und ausgemustert. An den Fachhochschulen gibt es Eignungstests und Studiengebühren, an den Pädagogischen Hochschulen wird es Eingangsphasen geben. Nur an der Spitze des Bildungssystems - an den Universitäten - ist der Zugang völlig frei. Die Studenten haben mit ihren Protesten aufgezeigt, dass es an den Unis mehr Probleme gibt, als allgemein bekannt waren. Mit einem Diskussionsverbot über Zugangsregelungen wird dieses Problem aber nicht behoben werden können.

Siehe auch:Studenten-Volksbegehren: Grüne bieten Schützenhilfe