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Ein Verband entzweit zwei Länder

Von Martyna Czarnowska

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Die polnische Minderheit in Weißrussland klagt über Repressionen. Warschau will ein Eingreifen der EU.


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Es fing an mit den Plakaten. Eines Tages war Iwinjez voll davon. Die Einwohner des knapp hundert Kilometer nordwestlich von Minsk gelegenen Städtchens wurden in den Aushängen darüber informiert, dass die Direktorin des Kulturhauses nicht mehr die Direktorin ist. Und was ein lokalpolitischer Zwist hätte sein können, beschäftigt nun die Regierungen zweier Länder, das EU-Parlament und die Außenminister der Europäischen Union.

Denn das Haus gehört dem Verband der Polen in Weißrussland (ZPB), und der beklagt sich schon seit längerem über Repressionen gegen die Minderheit. Als vor wenigen Tagen dutzende Mitglieder auf dem Weg zur Gerichtsverhandlung über das Gebäude festgenommen wurden, schaltete sich das polnische Außenministerium ein. Das Parlament in Warschau hat das Vorgehen der weißrussischen Behörden verurteilt; das EU-Parlament bereitet ebenfalls eine Resolution gegen das Regime in Minsk vor.

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Nach den Russen bilden die Polen in Weißrussland die größte Minderheit. Zwar sind nach dem Zweiten Weltkrieg, nachdem die Grenzen neu gezogen wurden, viele geflüchtet oder vertrieben worden. Doch leben in dem Land mit seinen insgesamt rund zehn Millionen Einwohnern noch immer an die 400.000 von ihnen. Laut inoffiziellen Schätzungen können es bis zu einer Million Polen sein. Zehntausende von ihnen waren im Verband der Polen dabei; in den knapp zwanzig übers ganze Land verstreuten Kulturhäusern trafen sie einander zu Ausstellungen, Konzerten oder Diskussionsabenden.

Das Außenministerium in Warschau sieht für die Pflege der polnischen Kultur und Hilfe für Minderheiten jährlich rund hundert Millionen Zloty (etwa 25 Millionen Euro) vor. In die Renovierung und Ausstattung der Kulturhäuser in Weißrussland sind bis 2005 an die neun Millionen Euro geflossen. Doch nur noch zwei der Gebäude gehören dem ZPB.

Dennoch weist Minsk Vorwürfe zurück, es würde die Polen enteignen. Denn die Häuser werden nicht beschlagnahmt. Sie werden lediglich einem anderen Flügel des ZPB zugeteilt. Es gibt nämlich zwei Verbände gleichen Namens. Den ursprünglichen, der vor knapp fünf Jahren Andzelika Borys zur Präsidentin gewählt hatte, erkennt Minsk nicht an. Es kam zu einer Spaltung und der Bildung einer der Regierung genehmen Parallelorganisation. Diese wiederum erkennt Warschau nicht an.

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Dabei räumen selbst einige polnische Experten ein, dass es Minsk nicht explizit um die Unterdrückung von Minderheiten geht. Vielmehr ist in der weißrussischen Verfassung von Unterstützung für andere Volksgruppen die Rede. Es geht also eher um die generelle Tendenz zur Gleichschaltung unter dem Regime von Präsident Alexander Lukaschenko. Mit Schwierigkeiten haben daher Oppositionelle ebenso zu kämpfen wie kritische Journalisten.

Aus Protest dagegen hat die EU bereits nach der Präsidentenwahl 2006 Sanktionen gegen Weißrussland verhängt und etwa Spitzenpolitiker mit einem Einreiseverbot belegt. Im Vorjahr wurden die Bestimmungen wieder gelockert.

Geht es nach Polen, soll die Rücknahme nun wieder rückgängig gemacht werden. Als mögliche Strafmaßnahmen nennt Warschau verschärfte Visaregelungen oder auch die Blockade von Geldflüssen nach Weißrussland aus der Nachbarschaftshilfe. Polen bringt das Thema am Montag beim Treffen der EU-Außenminister auf die Tagesordnung und erhofft sich eine gemeinsame Verurteilung Weißrusslands. Dass es dies erreicht, zeichnet sich derzeit nicht ab, heißt es aus Diplomatenkreisen.

Unterstützung aus anderen Ländern gab es allerdings schon. Seine Sorge über die Vorgänge in Weißrussland äußerte bereits das Außenamt in Paris.