Zum Hauptinhalt springen

"Ein verheerendes Signal"

Von Katharina Schmidt

Politik

Rosenkranz: "Wir wären in letzter Konsequenz für Moser gewesen."


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Wiener Zeitung": Die Regierung hat die Opposition in Sachen U-Ausschuss mit dem Fristsetzungsantrag erpresst. Welches Signal ist das für die parlamentarische Kontrolle und die Demokratie?Walter Rosenkranz: Es ist ein verheerendes Zeichen, wenn man so mit Mehrheiten umgeht. Laut einer Umfrage wollen 75 Prozent der Bevölkerung, dass der U-Ausschuss weitergeführt wird. Ich nehme nicht an, dass damit ein Kasperltheater gemeint ist. 91 Prozent wollen, dass Kanzler Werner Faymann als Auskunftsperson geladen wird - und das wird alles ignoriert. Was SPÖ und ÖVP am Mittwoch geboten haben, ist ein verheerendes Signal für das Demokratiebewusstsein und das selbstbewusste Parlament.

Werden die letzten U-Ausschuss-Tage ein "Kasperltheater" sein?

Sicher nicht. Wenn die Regierungsparteien glauben, dass jetzt nichts mehr kommt, täuschen sie sich. Mein Wille als Vorsitzender ist es, die Verhandlungen so straff zu führen, dass nicht Zeit mit Geplänkel verloren geht, sondern möglichst viel ans Tageslicht kommt. Wenn Zeugen da sind, kann man sie mit den Akten konfrontieren, die sind damit öffentlich. Selbst wenn Faymann nicht im U-Ausschuss ist, können wir bei der nächsten Dringlichen Anfrage aus diesen Akten zitieren.

Als Zugeständnis an die Opposition werden Hans-Joachim Wirth und Karlheinz Muhr zu abgeschlossenen Beweisthemen geladen. Kaum jemand glaubt, dass sie der Ladung nachkommen werden. Was soll das für ein Zugeständnis sein?

Es ist ein geringes, aber wir müssen als U-Ausschuss ein Zeichen setzen und dürfen nicht sagen, dass wir jemanden gar nicht laden, nur weil er wahrscheinlich nicht kommt. Und wir haben damit einen Tag gewonnen - vielleicht kann man die Befragung Martin Schlaffs länger fortführen.

Der wird wohl auch nichts sagen.

Er kann sich nicht von vornherein der Aussage entschlagen und wieder gehen. Wir können ihm acht Stunden lang - natürlich auch mit einer Pause, wir wollen ja nicht unmenschlich sein - Seite für Seite aus den Akten vorlesen. Es wird eben eine Vorleseübung, es kommt dann aber alles, was in den Justizakten verborgen ist, an die Öffentlichkeit.

Die Fragezeitbeschränkung für die Fraktionen wird also aufgehoben?

Das war ein Gentleman’s Agreement. Ich habe keine Möglichkeit, einen Abgeordneten, der noch fragen möchte, abzudrehen.

Wird es bei der Übereinkunft bleiben, dass alle Beschlüsse einstimmig gefällt werden sollen?

Nach Möglichkeit immer. Aber auf der Ladungsliste vom Mittwoch fehlen einige Personen. Die Opposition kann zusätzliche Zeugen beantragen und die SPÖ kann auch klüger werden, das ist alles nicht ausgeschlossen.

Was müsste geschehen, damit Faymann gegen alle Eventualitäten doch noch geladen wird?

Die Belastung durch die Auskunftspersonen und die Akten müsste so massiv sein, dass man sich dem nicht mehr entziehen kann. Dass Werner Faymann sagt: "Da gebe ich gleich auf, da brauche ich überhaupt nicht mehr kandidieren."

Wenn man sich den Kompromiss ansieht, wird deutlich, dass sich die Opposition bis aufs letzte Hemd ausziehen hat lassen. Wäre es da nicht besser gewesen, den U-Ausschuss sterben zu lassen und der Koalition die Schuld zu geben?

Nein. Dann hätten SPÖ und ÖVP gesagt, die Oppositionsparteien sind schuld, weil sie einen Justament-Standpunkt einnehmen. Damit hätten sie eine Ausrede gehabt. Es muss schon etwas passieren, damit Peter Pilz einmal sagt, dass er keine Akten mehr haben will. Wir haben uns darauf verständigt, dass jeder Tag U-Ausschuss besser ist als gar keiner. Mit dem hat die SPÖ nicht gerechnet. Die haben gesagt: Die quetschen wir jetzt aus bis auf den letzten Tropfen, bis sie nicht mehr Ja sagen können.

Teil des Kompromisses war, dass die Opposition Mittwochabend einem neuen Fristsetzungsantrag bis 16. Oktober zustimmt. Warum ist das nicht geschehen?

Am Abend war das Kompromisspapier schon da, der U-Ausschuss wieder beschlussfähig. Wir haben ohnehin eine Willenserklärung abgegeben, in der wir alle gemeinsam gesagt haben, dass der Ausschuss grundsätzlich bis 16. 10. einen Bericht vorlegen soll. Aber indem wir dem Fristsetzungsantrag nicht zugestimmt haben, haben wir uns zumindest am Papier etwas offengelassen.

Kann es einen gemeinsamen Abschlussbericht geben?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich nehme an, es wird einen technischen Bericht des Vorsitzenden und vier Minderheitenberichte -einen von der Regierung und drei von der Opposition - geben. Dass wir ein gemeinsames Oppositionspapier zusammenbringen, halte ich für fraglich.

Apropos Zusammenhalt der Opposition: Hätten Sie nicht - auch gemeinsam mit dem BZÖ - Gabriela Moser die Mauer machen müssen?

Frau Moser die Mauer zu machen war schwierig, sie hat sich an nichts orientiert, was wir ihr geboten haben. Sie hat - losgelöst vom U-Ausschuss - Abgeordnetenrechte beschnitten . . .

. . . und das wieder zurückgenommen und den Antrag abstimmen lassen.

Eben nicht. Es gab ja den Zusatz, sie halte das nach wie vor für einen Blödsinn, aber politisch lasse sie es zu. Wenn sie gesagt hätte, dass sie einen Fehler gemacht hat, wäre alles bestens gewesen. Aber man hat Öl ins Feuer gegossen, was sofort von SPÖ und ÖVP aufgegriffen wurde.

An der Inszenierung der Koalition haben sich FPÖ und BZÖ beteiligt.

Ich habe noch am Montag dem ORF gesagt, dass Moser Vorsitzende bleiben soll - mir ist lieber eine schlechte Vorsitzende als das Ende des U-Ausschusses. Der Beitrag wurde nicht gesendet, weil die Ereignisse andere waren. Wir wären in letzter Konsequenz für Moser gewesen.

Moser wurde auch deshalb zur Vorsitzenden gekürt, weil die Grünen nicht von den Vorwürfen betroffen sind. Die FPÖ ist aber von Inseratenaffäre wie auch Staatsbürgerschaftsvergaben betroffen. Wird es da Überraschungen geben?

Bei der Inseratenaffäre ist die FPÖ außer als Anzeiger nicht involviert. Bei den Telekom-Ostgeschäften auch nicht. Laut Medien stehen freiheitliche Politiker in Verdacht, mit Staatsbürgerschaften gehandelt zu haben. Ich kenne aber keinen Akt dazu. Auch Uwe Scheuch taucht in den Akten nicht auf.

Sie befürchten also nichts?

Überhaupt nichts. Wir haben unser Fett bei den ersten Beweisthemen abgekriegt, wo Freiheitliche in einem sehr schlechten Licht dargestellt wurden. Gott sei Dank sind die nicht mehr bei uns. Aber die kommenden Dinge betreffen SPÖ und ÖVP. Daher ist die Interessenlage eine klare, wie man am Mittwoch gesehen hat.

Zur Person

Walter Rosenkranz

Nein, er ist nicht mit der niederösterreichischen Freiheitlichen Barbara Rosenkranz verwandt. Aber auch Walter Rosenkranz kommt aus Niederösterreich, genauer aus Krems, wo er FPÖ-Bezirkschef ist. Seit Ende der 1980er ist der heute 50-Jährige in der FPÖ aktiv, er wird ihrem rechten Flügel zugeordnet. Rosenkranz ist "Alter Herr" der schlagenden Burschenschaft Libertas, die schon in den 1870ern Juden die Mitgliedschaft verwehrte.

Als Fraktionsführer im U-Ausschuss fiel der Rechtsanwalt mit der Leidenschaft für Gitarre und Numismatik zwischen den Streithähnen Peter Pilz (Grüne) und Stefan Petzner (BZÖ) bisher kaum auf. Sachlich spulte Rosenkranz seine Fragen herunter und zeigte dabei fundierte, aber unaufgeregte Aktenkenntnis. Auch an den berühmten "Stehungen" (improvisierten Pressekonferenzen) Pilz’, denen sich auch Petzner anschloss, beteiligte sich Rosenkranz nicht. Der verheiratete Vater eines Sohnes will den U-Ausschuss mit strengerer Hand als Gabriela Moser führen. Jedoch wird ihm das nicht lange vergönnt sein: Wird das Gremium mit 16. Oktober beendet, wird er der kürzest dienende U-Ausschuss-Chef sein. Seine Funktion als Fraktionsführer übernimmt FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky.