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Ein Vertrag und viele Probleme

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

UniversitätsZugang: Österreichs Wünsche noch offen. | Unsicherheitsfaktoren Polen und Großbritannien. | Brüssel. In gut zwei Wochen wollen die EU-Staats- und Regierungschefs den neuen Reformvertrag für eine effizientere Union auf den Weg bringen. Die juristischen Vorarbeiten dafür sind nun beendet. Offen bleiben aber einige politische Probleme. So wählt Polen zwei Tage nach dem Gipfeltreffen in Lissabon ein neues Parlament und wünscht sich die prominente Festschreibung von Blockademöglichkeiten gemeinsamer EU-Entscheidungen. Premier Jaroslaw Kaczynski könnte für seine Wiederwahl erneut die Anti-EU-Karte ziehen, fürchten manche.


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Ein Unsicherheitsfaktor bleibt auch Großbritannien. London hadert trotz Ausnahmeregelung mit der geplanten EU-Grundrechtecharta und hegt Sorgen über die mögliche Beschneidung außenpolitischer Kompetenzen. Premier Gordon Brown befindet sich in einem vehementen Abwehrkampf gegen Referendumsforderungen von Opposition, Gewerkschaften und der Boulevardzeitung "Sun".

Auch die Rechtsexperten haben sich die letzten zwei Wochen fast ausschließlich mit britischen Sonderwünschen zu Schengen beschäftigt. Großbritannien ist zwar wie Irland nicht Teil der grenzenlosen Schengen-Zone. Bei gewissen Aspekten wie dem Datenaustausch ist es aber dabei. Für künftige Ausweitungen - etwa die Erfassung biometrischer Daten - will sich London Ausnahmen vorbehalten. Mittels eines komplizierten Mechanismus sollen die Briten nun bei der Verweigerung engerer Schengen-Zusammenarbeit möglicherweise aus manchen Bereichen ganz ausgenommen werden können.

Raschere Entscheidung

Die österreichische Forderung zu Uni-Quoten ist indes offenbar nicht gedeckt. Sie scheint in dem ab morgen, Freitag, vorliegenden Entwurf des Reformvertrags nicht auf. Wien beharrt, Universitäten in einer Passage über Dienstleistungen öffentlichen Interesses zu verankern. Das erlaubte die Beschränkung der EU-Grundfreiheiten. Und die würden derzeit durch die Quotenregelung zugunsten von Studienanfängern mit österreichischem Maturazeugnis verletzt, begründet die EU-Kommission das laufende Strafverfahren gegen Österreich.

Die erste formelle politische Diskussion werden die EU-Außenminister am 15. Oktober nur Tage vor dem Gipfeltreffen in Lissabon führen. Klar sind allerdings bereits die Eckpunkte des neuen Vertrags. Er soll die EU statt des Verfassungsvertrags reformieren, der an negativen Referenden in Frankreich und den Niederlanden gescheitert war.

Ab 2009 soll es in vielen Bereichen wie in der Polizei- und Justizzusammenarbeit durch Wegfall der Vetomöglichkeit raschere Entscheidungen geben. Ab 2014 oder spätestens 2017 soll dabei das System der doppelten Mehrheit (55 Prozent der Mitgliedstaaten, 65 Prozent der EU-Bevölkerung) bei Abstimmungen gelten. Bei den Mehrheitsentscheidungen muss dafür das EU-Parlament zustimmen. Außerdem soll die EU ab 2009 einen ständigen Vorsitzenden für jeweils zweieinhalb Jahre und einen Außenminister haben, der "Hoher Vertreter" heißt. Das EU-Parlament wird ab 2009 verkleinert, die Kommission ab 2014.