Schweizer erstellen Haftbefehl gegen deutsche Steuerfahnder.
| Österreichischer Daten-Händler beging bereits vor zwei Jahren in U-Haft Selbstmord.
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Der Verdacht lautet auf Wirtschaftsspionage und Verstoß gegen das Schweizer Bankgeheimnis: Eine CD mit Steuersünderlisten sorgt zwei Jahre nach ihrem Verkauf an deutsche Behörden für Aufregung. Nachdem Schweizer Ermittler nun Haftbefehle gegen drei in den Kauf involvierte deutsche Steuerfahnder erlassen haben, gehen die Wogen hoch. Der offiziell abgesegnete Kauf von Kundendaten der Credit Suisse wird so immer mehr zur Kriminalgeschichte, in der auch der Selbstmord eines Österreichers eine Rolle spielte. Dabei begann alles ganz harmlos mit einer Aktentasche.
Es war Anfang 2008, als ein junger Angestellter der Schweizer Bank Credit Suisse eine Aktentasche mit brisantem Inhalt in einem Fitnessstudio vergaß. Der Finder, ein österreichischer Bekannter, ließ es sich nicht nehmen, einen Blick in die Tasche zu werfen. Und stieß dabei auf eine Sammlung von Datensätzen 1.500 bis 2.500 Bankkunden mit Depotwerten in Höhe von bis zu 1,660 Milliarden Euro - mutmaßliche Steuerflüchtlinge, die ihr Geld in der Schweiz parkten.
Der Bekannte erkannte das Potenzial dieses Fundes rasch und verständigte umgehend den Besitzer - um diesem einen lukrativen Deal vorzuschlagen: Im Austausch gegen die Kundendaten sollten deutsche Behörde einen erheblichen "Finderlohn" locker machen. Der Bankangestellte willigte ein, über Vermittlung des Österreichers trat man mit den deutschen Steuerbehörden in Kontakt.
Die Behörden in Nordrhein-Westfalen zeigten sich interessiert, es gab sogar Anfragen für weitere Recherchen. Die Datensätze ließ man sich schließlich 2 Millionen Euro kosten, von denen der Bankmitarbeiter gerade einmal 320.000 Euro erhielt.
Festnahmen und Selbstmord
Es sollte noch dauern, bis der Deal an die Öffentlichkeit gelangte - und dann das Interesse der Schweizer Bundesanwaltschaft weckte. Im Februar 2010 wurde ein Strafuntersuchung gegen eine unbekannte Täterschaft eröffnet. Schließlich konnte der Schweizer Banker ausgeforscht werden, im Jänner 2011 bestätigte die Schweizer Staatsanwaltschaft die Festnahme eines Verdächtigen. Bereits zuvor war es den Behörden gelungen, den Österreicher ausfindig zu machen und ihn festzunahmen.
Für den vermeintlichen Drahtzieher der Affäre endete der Deal tödlich. Der laut 42-jährige Tiroler hatte sich in der U-Haft in einem Schweizer Gefängnis im September 2010 das Leben genommen - unter ungewöhnlichen Umständen: Entgegen der üblichen Vorgehensweise war die österreichische Botschaft in der Schweiz nicht über die Festnahme informiert worden. Selbst Angehörige wurden davon nicht in Kenntnis gesetzt: "Ich wusste nicht, dass mein Sohn im Gefängnis war. Niemand wurde darüber informiert. Das finde ich nicht richtig", beklagte der Vater des Verstorbenen gegenüber der Schweizer Tageszeitung "Sonntag".
Der Bankangestellte selbst wurde im Dezember des Vorjahres zu einer bedingten Haftstrafe von zwei Jahren und einer Geldbuße von 2900 Euro verurteilt. Er zeigte sich geständig und konnte der Staatsanwaltschaft glaubhaft erklären, nicht der Drahtzieher der Affäre gewesen zu sein.
Der Datenkauf hatte zunächst auch für die Credit Suisse ein unmittelbares Nachspiel. Um den nach Durchsicht der Daten von der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwurf der systematischen Beihilfe zur Steuerhinterziehung abzuwenden, zahlte die Bank einen Betrag von 150 Millionen Euro an die Gerichtskasse Nordrhein-Westfalen.
Hoher Preis für deutsche Behörden
Für die deutschen Behörden erwies sich der Kauf der Steuer-CD aber auch in anderer Hinsicht als Erfolg: Nach den Medienberichten über den Erwerb der Datensätze erwartete man eine wahre Flut von Selbstanzeigen deutscher Steuerflüchtlinge.
Der Preis dafür könnte freilich hoch gewesen sein: die drei Steuerfahnder, gegen die Schweizer Behörden einen Haftbefehl ausgestellt haben, müssen nun eine Festnahme befürchten. "Es besteht der konkrete Verdacht, dass aus Deutschland klare Aufträge gegeben worden sind zum Ausspionieren von Informationen der Credit Suisse", sagte der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber.