Bundesregierung und Stadt einigen sich auf 2-Milliarden-Euro-Hilfe für Wien Energie. Bund sichert sich Einschau.
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Es war eine Notmaßnahme." Kanzler Karl Nehammer nutzte die Gelegenheit, um sein angekratztes Image als Regierungschef und Staatsmann in der Öffentlichkeit ein bisschen aufzupolieren. Die Rettung der finanziell angeschlagenen Wien Energie mit vorerst 2 Milliarden Euro des Bundes kam gerade recht, um zu betonen, für die Regierung habe es die "Verpflichtung des staatspolitischen Handels" gegeben.
Die Einigung und die Unterschrift unter den Vertrag mit der SPÖ-geführten Stadt Wien war am Mittwochvormittag perfekt. Wiens rote Stadtführung mit Bürgermeister Michael Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke (beide SPÖ) glänzten bei der Pressekonferenz durch Abwesenheit. Dabei ging es um das Wohl und Wehe des ganz im Eigentum der Stadt stehenden Energiekonzerns.
Hanke beruhigt die Kunden
Umgekehrt haben die roten politischen Kapazunder in den vergangenen Monaten kein gutes Haar an der Corona-Strategie der türkis-grünen Bundesregierung gelassen. Dafür wurde Ludwig medial regelrecht zum Staatsmann und SPÖ-Kontrapunkt zur Regierung geadelt.
Hanke bestätigte schriftlich den Deal. Verbunden war dies mit dem als Beruhigung gedachten Hinweis für die zwei Millionen Kunden der Wien Energie, es sehe derzeit so aus, dass das Abrufen der Mittel des Bundes gar nicht notwendig sei. Denn die von "Ausreißern an der Strombörse" durchgebeutelte Wien Energie komme selbst über die Runden.
Ein richtiger Blackout bleibt den Wienern damit erspart. Dabei gab es seit dem Wochenende auf politischer Ebene einen weitreichenden Kurzschluss zwischen Kanzleramt und Finanzministerium und den mächtigen Roten im Wiener Rathaus.
Zunächst herrschte wochenlang überhaupt Funkstille um die sich zuspitzende finanzielle Schieflage bei der Wien Energie. Dies obwohl Bürgermeister Ludwig mittels Notkompetenz schon am 15. Juli 700 Millionen aus dem Wiener Budget für den Energieversorger lockergemacht hatte.
Dann brach am vergangenen Wochenende plötzlich Hektik aus, die sich mit jedem Tag mehr zu einer Hysterie steigerte. Im Gegensatz dazu stand das für die Bundesregierung aufreizend reservierte Verhalten der SPÖ-Stadtführung. Den peinlichen Bittgang durch den Volksgarten zu dem völlig überraschend einberufenen Krisengipfel im Kanzleramt ersparten sich Ludwig und Hanke. Stattdessen wurden nur Emissäre für die Wien Energie losgeschickt. Umso genüsslicher machte am Sonntagabend Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) via "ZiB2" publik, dass beim stadteigenen Wiener Energieunternehmen finanziell der Hut brennt.
Von 1,75 auf plötzlich 10 Milliarden
Erst war nur von 1,75 Milliarden Euro die Rede, die kurzfristig vom Bund nötig seien. Da kursierten allerdings längst Spekulationen, die Wien Energie sei pleite. Kunden und die breite Öffentlichkeit konnten dann am Montag mit immer größer werdenden Augen verfolgen, wie der Fehlbetrag rasant wuchs. Am Montagnachmittag teilte das Finanzministerium mit, Finanzstadtrat Hanke habe in einem Brief an den Bund eine Summe bis zu 6 Milliarden Euro genannt.
Montagabend geisterten sogar bereits bis zu 10 Milliarden Euro als Finanzbedarf herum. Verbunden mit der Warnung, dass 2 Milliarden Euro davon bis Dienstag fällig werden könnten. Gleichzeitig schossen die auch von Brunner befeuerten Gerüchte herum, das am Wochenende wie aus dem Nichts aufgetauchte Milliardenloch sei durch Spekulation der Wien Energie erst derart sprunghaft auf mehrere Milliarden Euro gewachsen. Das Unternehmen und Hanke versicherten hingegen stakkatoartig, es sei nicht mit dem Geld der Kunden spekuliert worden.
Es dauerte drei Tage, bis Bürgermeister Michael Ludwig Dienstagmittag nach wachsendem Druck und zunehmender Verwunderung über sein Untertauchen erstmals vor die Medien trat. Mit seinem Eingeständnis, schon Mitte Juli 700 Millionen ohne weitere Information als Notmaßnahme bereit gestellt zu haben, handelte sich der SPÖ-Bürgermeister erst recht harsche Kritik ein.
Er selbst vermittelte freilich den Eindruck, die Geheimnistuerei sei das Normalste auf der politischen und demokratischen Welt. 800 unerwartete Millionen Euro, die wegen eines Sinkens des Strompreises zurückflossen, verschafften Energiekonzern und Verhandlern einen zusätzlichen Tag Spielraum. Bis Mittwoch. Vor allem im Rathaus und in der SPÖ stieg gleichzeitig der Groll darüber, dass der Finanzminister via ORF-Radio die Vermutung spekulativer Geschäfte in den Raum stellte.
Richtlinie gilt bis April kommenden Jahres
Mittwochvormittag war auch ohne Stadtspitze am Verhandlungstisch der Deal mit Wien unter Dach und Fach. 2 Milliarden Euro werden der Stadt Wien als Darlehen zur Verfügung gestellt, damit die Wien Energie liquid bleibt. Stadtrat Hanke bestätigte schriftlich, was die Regierung in Abwesenheit von Ludwig und ihm vor Journalisten verkündete. Abgewickelt wird die Kreditlinie, die bis April 2023 gilt, über die Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA). Geld ist binnen zwei Stunden abrufbar.
Der Bund und damit die ÖVP schaut jetzt im roten Wirtschaftsimperium der Stadt Wien genauer rein. Bedingung für den Deal war, dass dem Bund Bericht über die Sicherstellung der Energieversorgung durch die Wien Energie erstattet wird. Weiters forderte die Regierung Aufklärung, ob es ein ausreichendes Risikomanagement bei der Wien Energie gegeben hat. Wien will bis 15. September Informationen liefern. Zudem entsendet der Bund einen Vertreter in den Aufsichtsrat der Wiener Stadtwerke.