Angeblich werden bereits 2023, wenn alles nach Plan geht, die ersten Züge durch den Semmeringtunnel sausen. Österreichs Bahnsystem ist tief im 21. Jahrhundert dann zumindestens im späten 20. Jahrhundert angekommen (kurz, bevor die ersten Amerikaner zum Mars aufbrechen). Wer diese Zugverspätung von gefühlten 30 Jahren ärgerlich findet, kann sich ja bei Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll bedanken, der den törichten Widerstand gegen die (Bahn-)Moderne federführend betrieben hat.
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Pröll ist freilich nicht der Einzige, der den österreichischen Föderalismus zielstrebig vom Teil der Lösung zum Teil des Problems gemacht hat. Gerade in der jüngsten Vergangenheit erweckten Landeshauptleute stark den Eindruck, es sei ihr oberstes Bestreben zu beweisen, dass die Bundesländer in ihrer heutigen Form ersatzlos abgeschafft werden müssten, um die Republik nicht völlig dem Untergang zu weihen. Fast könnte man meinen, Leute wie Hans Niessl oder Gerhard Dörfler seien der politische Arm einer geheimen, aber höchst militanten "Volksfront zur Befreiung vom Föderalismus".
Anders ist nicht zu erklären, dass Kärnten, nachdem es von der Republik gerade noch arschknapp vor dem Bankrott gerettet werden musste, flugs neue Landeshaftungen für eine neue Landesbank ankündigte (der Finanzminister sollte dafür gleich entsprechende Budgetvorsogen einplanen). Besser kann ein Landeshauptmann nicht beweisen, wie gemeingefährlich die schiere Existenz (s)eines Landes sein kann.
Anders ist nicht zu erklären, dass Dörflers burgenländischer Bruder im Ungeiste, der Sozialdemokrat Niessl, sehr für Asylzentren ist, solange sie in anderen Bundesländern stehen, und so ein beeindruckendes Bekenntnis zum Kantschen Imperativ burgenländischer Schule ablegt ("Verhalt dich stets so, dass der Staat vor die Hunde geht, wenn sich alle so verhalten wie du").
Freilich trifft alle zitierten Herren nur Teilschuld. Sie benehmen sich zwar politisch unredlich, werden dabei aber stark von Bundesverfassung begünstigt. Wessen Funktion im Wesentlichen ist, Geld des Bundes auszugeben und diesen dafür mit dem Vertreten lokaler Partikularinteressen zu triezen, der läuft zwangsläufig Gefahr, eine Art Provinz-Chavez zu werden. Noch dazu, wenn der Souverän dies großzügig belohnt.
Nachdem dieser Befund freilich nicht neu ist, sondern bloß eine Therapie angesichts der jüngsten Ereignisse immer dringlicher notwendig erscheint, gibt es wohl nur eine Lösung: ein Volksbegehren der Vernünftigen, ähnlich dem legendären seinerzeitigen ORF-Volksbegehren, getragen von ehrbaren Damen und Herren aus der Mitte der Zivilgesellschaft; mit dem Ziel, die Länder qua Änderung der Bundesverfassung radikal auf ihre folkloristischen Restfunktionen zurückzuschneiden. Zu bewerben wird ein solches Volksbegehren übrigens sehr leicht sein: durch die originalgetreue und unkommentierte Wiedergabe in Wort und Bild all dessen, was der eine oder andere Landeshauptmann so an staatsmännischen Einsichten von sich gibt. Das sollte eigentlich völlig reichen.
"Wie Landeshauptleute die Abschaffung der Bundesländer populär machen."
"Warum die Verfassung das Entstehen eines Provinz-Chavezmus
fördert."