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Ein voller Bauch betet nicht gern

Von Ania Haar

Politik
Ab heute beginnen in der Kirche die wichtigsten Feierlichkeiten für das kommende Osterfest.
© Luiza Puiu

Wiens orthodoxe Kirche bereitet sich auf die Osterfeierlichkeiten am kommenden Wochenende vor.


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Wien. Es ist der wichtigste Feiertag der Christen: Ostern, die jährlichen Gedenkfeierlichkeiten an die Auferstehung Jesus Christi. Doch Christ ist nicht gleich Christ. So bereiten sich orthodoxe Christen anders auf das Osterfest vor als katholische oder evangelische Christen. In der gesamten orthodoxen Kirche ist das "Große Fasten", im Gegensatz zu anderen Fastenzeiten wie etwa Mittwochs- und Freitagsfasten oder vor Weihnachten, eine wichtige Zeit, um sich auf das größte Fest in der Kirche, das Osterfest, vorzubereiten.

"Sechs Wochen lang leben wir rein vegan", erklärt Chrysostomos Pijnenburg. Er ist Erzpriester der Russisch Orthodoxen Gemeinde, die in der Kathedrale zum hl. Nikolaus im 3. Bezirk zu Hause ist. Wie viele Mitglieder seine Gemeinde hat, weiß er nicht. An Sonntagen kommen bis zu 500 Menschen hierher. An großen Feiertagen, wie das bevorstehende Osterfest, bis zu 2000. "In der Osternacht ist die Straße hier voll", erzählt Pijnenburg. Darunter seien auch Besucher und jene Menschen, die zwar orthodox sind, aber nicht regelmäßig in die Kirche gehen, aber zu Ostern kommen. "Wir haben keine Kirchenverwaltung in dem Sinne. Es gibt zwar die Matrikelbücher, wer geboren ist, wer getauft ist, Hochzeiten, Beerdigungen werden hineingeschrieben", erklärt der 68-jährige Priester, "aber wir haben kein Register, wo wir nachsehen können, wie viele Gläubige da sind."

Seit 37 Jahren ist der Erzpriester Chrysostomos Pijnenburg in der Russisch Orthodoxen Gemeinde tätig. Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1989 kamen viele Russen nach Österreich. "Das hat die Gemeinde explosiv vergrößert. Das war früher, in den kommunistischen Zeiten, ein kleines Häufchen von Emigranten und auch Österreichern", erinnert sich der Priester. Das sehe man heute in den Gottesdiensten um 8 und um 10 Uhr, dass es sehr viele Gläubige sind. Auch die Altersstruktur hat sich verändert. "Als ich nach Wien kam, gab es 50 Beerdigungen und drei Taufen im Jahr. Gott sei Dank haben wir jetzt sehr, sehr viele Taufen und sehr wenig Beerdigungen." Je nach Jahr sind es 100 bis 200 Taufen und vielleicht 10 Beerdigungen. Regelmäßig wird auch geheiratet, es gibt 20 bis 35 kirchliche Trauungen pro Jahr.

Vier Stunden stehen

Die Russisch Orthodoxe Gemeinde ist eine besondere, auch was die Zusammensetzung der Gläubigen und Priester anbelangt. Insgesamt sieben Priester dienen der Gemeinde, neben Pater Pijnenburg, der Holländer ist, gibt es einen Österreicher, einen Serben und einen Amerikaner. Nur der Pfarrer und der Bischhof, da die Kirche russisches Eigentum ist, kommen aus Russland.

Zu der jetzigen politischen Situation in Russland will man sich in der Kirche dieser Tage nicht äußern. "Wir mischen uns nicht ein, wir können das nicht. Wir sind für die Seelen der Menschen zuständig." In der Gemeinde sind Gläubige aus dem russischen Gebiet der alten Sowjetunion vertreten und alle anderen Orthodoxen dazu. Darunter sehr viele Serben, Moldawier, Rumänen und Griechen. Man ist orthodox an erster Stelle, und dann an zweiter Stelle von Geburt Russe oder Rumäne. Aber das spielt für den Gottesdienst keine Rolle, denn die liturgischen Texte werden in Kirchenslawisch gelesen und ein Teil auf Deutsch, erklärt der Priester.

Denn Österreicher gehören schon seit langem der Gemeinde an. Einer von ihnen ist Dieter Mück. Der Österreicher kam vor 15 Jahren in die Gemeinde, "ich habe hier eingeheiratet". Vor zwanzig Jahren, als er seine Frau Lena heiratete, entstand der Wunsch nach einer gemeinsamen Religion. "Da meine Frau sehr gläubig ist, wollen wir eine gemeinsame Religion haben", und so blieb er bei den Orthodoxen. "Es ist eine ganz besondere Stimmung hier, eine Zeremonie, die viel schöner ist als in meiner alten Kirche", erzählt Dieter Mück, der beruflich im Bauwesen tätig ist.

Auch er und seine Frau halten sich an die strengen Fastenvorschriften. "Es ist nicht wichtig, was man isst, sondern dass man sich die Zeit nimmt, in sich zu gehen, seinen Glauben zu studieren und sich eben nicht auf die weltlichen Dinge zu konzentrieren, sondern mehr auf das Geistliche. Dazu soll das Fasten helfen." Umso größer ist dann auch die Freude auf das kommende Fest.

Was auf den ersten Blick paradox klingt: Das Fasten hilft auch beim Stehen. Denn die lange feierliche Liturgie der Osternacht, die um 23.45 Uhr anfängt und bis zu vier Stunden dauert, verbringt man im Stehen.

"Das Nüchternsein erleichtert das schon", sagt der Pater. "Die Belastung vom Essen ist schon sehr groß, deshalb würde man die Gottesdienste mit vollem Magen nicht durchhalten können."