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Analyse der ORF-Publikumsratswahl. | Für beide Großparteien steht viel auf dem Spiel. | Wahl Lindners scheint dennoch ungefährdet. | Wien. Man kann die ganze Sache natürlich sportlich nehmen. Dann ist es ein schöner Test für die internen Mobilisierungsmaschinerien von ÖVP und SPÖ angesichts der Nationalratswahlen im kommenden Herbst. Oder aber man geht es politisch an. In diesem Fall steht nicht mehr und nicht weniger als die künftige Verfügungsgewalt über des Landes größte Medienorgel auf dem Spiel.
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Die Rede ist von der Direktwahl des ORF-Publikumsrats, die noch bis Montag, 24 Uhr, läuft. Bis dahin können 3,1 Millionen Wahlberechtigte (ORF-Gebührenzahler sowie die von diesen Befreiten) insgesamt sechs Personen per Fax in den 35-köpfigen Publikumsrat entsenden.
Aus diesen nüchternen Daten allein lässt sich noch nicht die politische Brisanz des Geschehens erfassen. Die zeigt sich erst, wenn man weiß, dass der Publikumsrat insgesamt sechs Mitglieder in den mächtigen Stiftungsrat des ORF entsendet, von denen wiederum drei aus der nun laufenden Direktwahl hervorgehen müssen. Und diese könnten zum Zünglein an der Waage bei der Wahl der neuen ORF-Führung im Sommer werden.
Politische Brisanz erst auf den zweiten Blick
Es steht also sehr wohl etwas für ÖVP und SPÖ auf dem Spiel. Das erklärt auch das Engagement beider Großparteien für "ihre" Kandidaten. Aus Sicht der Volkspartei geht es darum, ein Ergebnis wie beim letzten Mal, als ausschließlich die SPÖ-nahen Kandidaten das Rennen machten, zu verhindern. Im Idealfall könnte die ÖVP sogar im Alleingang die nächste ORF-Führung bestimmen. Und genau das zu verhindern, treibt wiederum die SPÖ an. Welchen Stellenwert beide Parteien der Wahl beimessen, veranschaulicht ein Blick auf ihre Internetseiten: Bei beiden prangt die Wahl an oberster Stelle. Funktionäre, Mitglieder und Nahestehende werden bereits seit Wochen per Mail zur Stimmabgabe erinnert.
Insgesamt zeigt sich - bei näherer Betrachtung der Wahlkampfstrategien - wieder einmal die alte Kampagnenweisheit, dass sich wesentlich leichter gegen als für ein Anliegen mobilisieren lässt - in diesem Fall gegen einen angeblich drohenden "Schwarz-Funk".
Dass beide Parteien für ihre Kandidaten mit dem Attribut "unabhängig" recht freizügig umgehen, ist dabei kaum zu übersehen. Persönlichkeiten wie der Schauspieler Fritz Muliar, der Kabarettist Erwin Steinhauer oder der Arzt Siegfried Meryn sind - um für die SPÖ zu sprechen - genauso honorige Kandidaten für das Gremium wie Licht-ins-Dunkel-Initiator Kurt Bergmann, Rot-Kreuz-Präsident Fredy Mayer oder Bauernvertreterin Aloisia Fischer, deren Nähe zur ÖVP offensichtlich ist. Warum dann aber ständig das Wort "unabhängig" im Munde führen und plakatieren?
Beobachter gehen davon aus, dass der SPÖ eine niedrige Wahlbeteiligung (2001 wählten lediglich 72.689 Personen) entgegenkommt. In diesem Fall stehen die Chancen auf ein erneutes 6:0 im Match gegen die ÖVP relativ gut.
Folgen dürfte das weniger für die von der ÖVP angepeilte Wiederbestellung von ORF-Generaldirektorin Monika Lindner haben, die für August - also noch vor den Nationalratswahlen - vorgesehen ist, als vielmehr für die Führungsebenen darunter. Vor allem das Personenkarussell für die sechs Direktorenstellen dürfte dann ordentlich in Schwung geraten. ÖVP-nahe Kandidaten für diese und die Ebenen darunter dürften dann entsprechend schlechte Karten in der Hand haben, jene, die der SPÖ nahestehen, entsprechend bessere. Der Ausgang der Nationalratswahlen nur wenige Wochen darauf dürfte diesem Sesselrücken nur noch weiteren Schwung verleihen.