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Ein "Weihnachtsgeschenk" für die zwei befreiten Geiseln und die Nation

Von Hanns-Jochen Kaffsack und Hans-Hermann Nikolei

Politik

"Frei!" "Endlich!" Mit Riesenlettern feierte die französische Presse das, was die Nation kurz vor Weihnachten schon nicht mehr erhofft hatte - Christian Chesnot und Georges Malbrunot haben einen vier Monate langen Albtraum überstanden. Die Freude und allenthalben spürbare Erleichterung über das Ende der Geiselhaft für die französischen Irak-Reporter machte alles andere unwichtig.


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Doch das "Weihnachtsgeschenk" der radikal-islamischen Entführer an Paris wenige Tage vor dem Heiligen Abend wirft auch einen Berg von Fragen auf. Warum hatte es so lange gedauert? Warum wurden sie gerade jetzt freigelassen? Und wie konnte doch noch alles gut enden, nachdem die Vermittlungsbemühungen zuvor zunächst kläglich gescheitert waren?

Präsident Jacques Chirac unterbrach extra seinen Weihnachtsurlaub in Marrakesch, um die Reporter daheim empfangen zu können. Seit ihrer Verschleppung am 20. August waren die Kriegsberichterstatter zu einer Institution geworden. In den Zeitungen waren ihre Fotos zu sehen, jeder kannte Malbrunot und Chesnot. In den 124 Tagen Geiselhaft hatten Prominente täglich im Radio an beide erinnert. Angehörigen, Politikern, Kollegen, allen fiel bei der Nachricht von der Freilassung ein Stein vom Herzen. Chesnots Heimatort Baugé feierte das Ereignis spontan. Die Hilfsorganisation Reporter ohne Grenzen konnte nun die in 30 Städten angebrachten Plakate mit den Porträts der beiden abnehmen - symbolischer Schlusspunkt unter eine Welle der Solidarität.

Denn ein Wermutstropfen bleibt. Nach indirekten Verhandlungen war der Kontakt zu den Entführern offenbar lange unterbrochen. Die private Vermittlungsaktion des Abgeordneten Didier Julia (UMP) Ende September hatte die Pariser Diplomatie lächerlich gemacht und zu einem Fiasko geführt. Die konservative Zeitung "Le Figaro" meinte zwar, Paris habe für eine Lösung dann "seinen Einfluss und sein Prestige in der arabischen Welt eingesetzt." Die unabhängige "Le Monde" strich jedoch mehr das Wirken der Geheimdienste heraus.

In nahezu allen Medien wurden etliche Fragezeichen zum Hin und Her während dieser vier Monate gesetzt. Premierminister Jean-Pierre Raffarin musste rasch betonen, ein Lösegeld sei weder verlangt noch gezahlt worden. Die Geheimdienste sollen nach Medienberichten in der Tat bereit gewesen sein, "sofort und ohne Gewissensbisse zu zahlen."

Außenministers Michel Barnier betonte gestern , die Freilassung der beiden Geiseln sei eine "rein französische Aktion" gewesen. Die "hochprofessionellen Agenten des Geheimdienstes DGSE" hätten für eine "Übergabe unter bestmöglichen Bedingungen" gesorgt.

Innenpolitisch ist die Afärwe aber noch nicht ausgestanden. Der Regierungsabgeordnete Julia warf dem Außenminister höchste Inkompetenz vor.

George Malbrunot, einer der beiden Geiseln hingegen meinte nach seiner Freilassung, das Verhalten des Abgeordneten Julia sei skandalös gewesen, er habe mit dem Leben der Geiseln gespielt.