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Eigentlich wusste niemand so genau, wozu der neue Freibetrag eigentlich gut sein sollte. Es gab bereits die Steuerbegünstigung für den betrieblichen Erfindergeist und nun wurde ein zusätzlicher Bonus für andere "experimentelle Entwicklungen" eingeführt, die man aus einem nebulosen OECD-Kataster ableitete, den hierzulande niemand kennt. Fachleute betrachteten den neuen Freibetrag deshalb als Alibihandlung zur Belebung der Konjunkturflaute. Eine soeben veröffentlichte Verordnung der Finanz zeigt indes, dass sich hier eine durchaus attraktive Forschungsförderung auftut.
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Der neue "kleine" Freibetrag von 10% für betriebliche Ent-wicklungen jenseits fertig ausgereifter Erfindungen wurde im April dieses Jahres - rückwirkend für 2002 - eingeführt, aber schon sechs Monate später - für die Zeit ab 2003 - auf 15% hinaufkorrigiert. (Die "Wiener Zeitung" hat darüber berichtet).
Technische Verbesserungen sollen gefördert werden
Mit dem neuen Impuls sollte die Palette jener betrieblichen Entwicklungsarbeiten gefördert werden, die nicht primär in Richtung Patentreife ablaufen, aber jedenfalls wirtschaftlich sinnvolle Formate anpeilen. Art und Umfang der gutge-meinten Förderung waren freilich aus dem Gesetzestext nicht herauszulesen. Die nun veröffentlichte Verordnung zeigt erstmals, welche Förderungsbereiche im Blickfeld der Gesetzgeber lagen und liegen.
"Als Grundsatz gilt, dass Forschung und experimentelle Entwicklung in Tätigkeiten bestehen, deren primäres Ziel die weitere technische Verbesserung eines Produktes oder eines Verfahrens ist", heißt es in der Verordnung.
Und weiter: "Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung der experimentellen Entwicklung von Produktionstätigkeiten. Sind Produkte oder Verfahren im wesentlichen festgelegt und ist das primäre Ziel der weiteren Arbeiten die Marktentwicklung oder das reibungslose Funktionieren des Produktsystems, dann können diese Tätigkeiten nicht mehr der Forschung und experimentellen Entwicklung zugerechnet werden."
Breite Förderungsbereiche
Diese recht allgemeinen Leitsätze sind natürlich interpretierbar. Deshalb gibt die Verordnung in einem Anhang einen 14 Einzelbereiche umfassenden Überblick, welche Entwicklungsarbeiten durch den neuen Freibetrag förderbar sind und welche nicht.
So sind bloße Datensammlungen, Dokumentationen, Industrial Design oder Industrial Engineering, ferner Qualitäts- oder Produktionskontrollen generell nicht förderungswürdig, außer sie stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit konkreten Forschungs- oder Entwicklungsprojekten. Marktforschung kann förderungswürdig sein, wenn dadurch neue Stichproben-, Erhebungs- oder Auswertungsverfahren entwickelt werden. Pilotanlagen und Prototypen gehören solange zur Forschung, bis sie zur Produktionsreife entwickelt sind; bloße Versuchsproduktionen gehören nicht dazu.
Kritischer Bereich Software
Ein ausführliches Kapitel der Verordnung widmet sich der Frage, inwieweit der neue Freibetrag auch für die Software-Entwicklung zugänglich ist - einem der derzeit kreationsintensivsten Bereiche. Ablehnung zeigen die amtlichen Richtlinien gegenüber der routinemäßigen Herstellung von Standard- oder Individual-Software. Es müsse sich vielmehr um neue Anwendungen handeln, die signifikant von bis-herigen Lösungen abweichen und ein Problem von allge-meiner Relevanz lösen können, heißt es in der Verordnung recht akademisch.
Als forschungsförderungs-freundliche Beispiele werden genannt: die Entwicklung neuer Betriebssysteme, Programm-sprachen, Datenbänke und neuer Kommunikations-Software. Ferner die Erarbeitung neuer Zugangstechniken und Tools, die Entwicklung von Internet-Technologien oder von Software-Systemen in spezialisierten Einsatzbereichen (Bildbearbeitung, Datenpräsentation, Zeichenerkennung, künstliche Intelligenzen, Visualisierung und ähnliches mehr. Hier gibt es für Kreative offenbar keine Grenzen.
Die Verordnung bietet auf diese Weise eine beachtliche Fülle von Anregungen und bewahrt vor Irrwegen. Die Maximen liegen in der Grundlagenforschung, der angewandten Forschung und der experimentellen Entwicklung. Freilich wird eingeschlossen, dass Forschungsarbeiten auch in verlorenen Aufwand münden können. Vorausgesetzt, dass die bezüglichen Vorarbeiten experimentell und methodisch durchgeführt wurden, dürfen auch fehlgeschlagene Projekte vom Freibetrag profitieren.
Prämie statt Freibetrag
Der neue Freibetrag ist natürlich kein "Steuerfreibetrag" im herkömmlichen Sinn. Er ist ein "Gewinn-Freibetrag", der bücherlich oder außerbücherlich den steuerlichen Gewinn eines Unternehmens kürzen kann. Intensive Forschungsbetriebe sind freilich selten in den schwarzen Zahlen, hätten also von derlei Steuervorteilen keinen Nutzen. Ihnen bietet das Gesetz eine (wahlweise zu beantragende) Alternative: eine Forschungsprämie. 3% der bezüglichen Aufwendungen für 2002, 5% ab 2003. Die Prämie wird im Zuge des jährlichen Steuerverfahrens dem Steuerkonto des Betriebes gutgeschrieben.
Bonus mit Schwachstellen
Die von Freibetrag belohnten Forschungsaufwendungen sind im übrigen gleichfalls in der Verordnung recht deutlich umschrieben. Begünstigt sind die den Entwicklungsarbeiten zuzuordnenden Personal- und Materialkosten, Investitionen, Finanzierungskosten und anteiligen Gemeinkosten.
Hier zeigt sich freilich auch eine Schwachstelle der gutge-meinten fiskalischen Förderung. Freibetrag und Prämie werden zwar als steuerfreie Bonifikationen der betrieblichen Forschung verstanden. Ihre Inanspruchnahme führt aller-dings dazu, dass die bezüglichen Aufwendungen ihren Charakter als steuerlich absetzbare Betriebsausgaben ver-lieren oder dass sie bei Investitionen deren AfA-Grundlage kürzen. Ein Umstand, der die gesetzliche Forschungswohltat wieder etwas relativiert.