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"Ein Weltkrieg der Zivilisationen"

Von Arian Faal

Politik

Koran-Spott traf Muslime pauschal. | Alle Glaubensrichtungen ziehen nun an einem Strang. | "Wiener Zeitung": Die Serie provokanter Islam-Sager reißt nicht ab. Nun will Geert Wilders einen Anti-Koran-Film präsentieren.


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Sami Al Faraj: Das ist ganz schlimm. Hier werden sicher Gefühle der Muslimen verletzt, und ich sage Ihnen eins: Dann haben wir endgültig einen Weltkrieg der Zivilisationen. Wenn der Film so wird, wie die Ankündigungen es prophezeien, dann werden sich die Muslime zusammenschließen gegen diesen Spott.

Sie rechnen also mit ähnlichen Reaktionen wie vor zwei Jahren nach der Veröffentlichung der dänischen Mohammed-Karikaturen?

Sehen Sie, das Thema ist sensibel. Es wird zwei Arten der Reaktion geben. Die gebildeten Menschen werden einen differenzierteren Zugang zum Thema haben und Wilders nicht mit der niederländischen Regierung gleichsetzen. Sie werden auch demokratische Mittel zum Protest gegen den Film verwenden. Unter den ungebildeten Menschen wird es jedoch dieses Feingefühl und diese Gabe zu selektieren nicht geben. Hier sehe ich auch die Gefahr einer gewaltgeladenen Antwort. Nicht nur gegen Wilders.

Irans ehemaliger Botschafter in Wien, Seyed Mohsen Nabavi, meinte 2006 mitten im Karikaturenstreit, Bomben seien keine Antwort auf Provokation gegen den Islam. Andere hohe Würdenträger zeigten Verständnis für Wutausbrüche von Glaubensbrüdern. Wie sehen Sie das?

Ich wende mich ganz klar von Gewalt ab, aber wir haben in der islamischen Welt im Alltag selbst mit Problemen zu kämpfen, und es kommt immer wieder zu Gewalttätigkeiten auf den Straßen. Dem muss man entgegenwirken. Die Reaktionen nach dem Karikaturenstreit sind Teil einer "Street Action". Diese Art der Reaktion auf der Straße wird es geben, das ist unbestritten. Die Politiker und islamischen Würdenträger können nur appellieren, Gewalt zu unterlassen, verhindern können sie sie nicht.

Die Niederlande sind derzeit mit einer Charmeoffensive um Schadensbegrenzung bemüht . . .

Ja, die Botschafter und Minister pilgern durch den Orient und betonen, dass sie gegen den Film sind und er nicht der Staatsmeinung entspricht, sie ihn jedoch nicht verhindern können - wegen der Meinungsfreiheit. Aber: Wie weit darf sie gehen, diese Meinungsfreiheit?

Hierzu möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass es nach dem Koran-Spott keine Rolle spielt, ob man als Muslim den Sunniten oder Schiiten angehört, da halten alle zusammen.

Sie sprechen damit die vom Iran vorgeschlagene Sonderkonferenz arabischer Staaten zum Thema Überprüfung der Beziehungen mit den Niederlanden an.

Genau. Hier wird an einem Strang gezogen. Und es geht nicht darum, dass Regierungen Produkte verbieten. Die Bevölkerung wird von selbst keine niederländischen Produkte mehr kaufen.

Welche Auswirkungen wird es unter den Muslimen in den Niederlanden geben?

Das wird eine schwierige Situation sein. Die Kluft wird sicher größer und die Integration einen enormen Rückschritt erleben. Hier sind die Politiker gefragt, die Stimmung auf beiden Seiten zu kalmieren. Denn etwaige Gewalttaten werden auch für vermehrte Xenophobie sorgen. Gleichzeitig werden die muslimischen Immigranten dann auch nicht mehr so bestrebt sein, sich anzupassen.

Zur Person

(af) Sami Al Faraj ist Islam-Experte und einer der angesehensten Militärstrategen der Golfregion. Er leitet das Zentrum für strategische Studien in Kuwait und arbeitet als Berater des Premierministers, des Außenministeriums und des Nationalen Sicherheitsrates von Kuwait. Darüber hinaus ist Sami Al Faraj nationaler Sicherheitsberater des Generalsekretärs des Golf-Kooperationsrates (ein Zusammenschluss der Länder Kuwait, Bahrain, Saudi-Arabien, Katar, Vereinigte Arabische Emirate und Oman zwecks Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Förderung der Beziehungen zwischen den Mitgliedern).