Zum Hauptinhalt springen

Ein Wendepunkt bei der öffentlichen Beschaffung

Von Andreas Tschulik

Recht
Alle Einrichtungen des Bundes sind seit kurzem dazu verpflichtet, ökologisch einzukaufen - auch beim Büromaterial.
© adobe.stock / sutthinon602

Nachhaltigkeit zieht verbindlich in die öffentliche Verwaltung ein.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Mit dem neuen Aktionsplan für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung (naBe-Aktionsplan) vom 23. Juni 2021 sind alle Einrichtungen des Bundes dazu verpflichtet, ökologisch einzukaufen - von Büromaterial über Strom bis hin zu Baustoffen. Das ist ein wichtiger Meilenstein. Ein sorgsamer und verantwortungsvoller Umgang mit unseren begrenzten Ressourcen und unserer Umwelt sind die Grundlage für eine Politik, die den Anforderungen und Bedürfnissen unserer Bevölkerung und der kommenden Generationen gerecht wird.

Bei der Lösung der Klimakrise und im Sinne des nötigen Paradigmenwechsels zu Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft ist das relevanter denn je. Wie auch im Green Deal der Europäischen Kommission und von den UN-Sustainable Development Goals aufgezeigt, ist nachhaltige öffentliche Beschaffung ein strategisches Instrument für die Lösung der anstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen - insbesondere der Klimakrise und für das Erreichen der Klimaziele aus dem Pariser Abkommen.

Beachtliche Kosten durch Emissionszertifikate

Der öffentliche Sektor und die öffentliche Beschaffung haben eine essenzielle Funktion für das Erreichen dieser Ziele. Daher ist die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen, die durch den naBe-Aktionsplan unterstützt wird, ein zentrales Ziel. Ein Verfehlen des Reduktionsziels durch nationale Maßnahmen wäre mit beachtlichen Kosten durch den Ankauf von Emissionszertifikaten für Österreich verbunden.

Es ist höchste Zeit, dass die öffentliche Verwaltung bei der Beschaffung einen klimaneutralen Weg einschlägt. Die aktuelle Treibhausgasbilanz des Umweltbundesamts zeigt den dringenden Handlungsbedarf auf, denn die Treibhausgas-Emissionen sind 2019 um 1,5 Prozent gestiegen. Sie liegen damit um 1,9 Millionen Tonnen über dem Ziel von maximal 48,3 Millionen Tonnen.

Besonderes Sorgenkind ist hier der Verkehr, dessen Emissionen stetig steigen. Der naBe-Aktionsplan liefert das Aus für Neuzulassungen von Pkw mit Verbrennungsmotoren in der öffentlichen Beschaffung (mit Ausnahme der Einsatzfahrzeuge) und einen Korridor zur Reduktion der Emissionen im Fahrzeugbereich. Wichtig ist auch die Versorgung der Dienststellen des Bundes mit 100 Prozent Umweltzeichen-zertifiziertem Ökostrom ab 2022, wodurch jährlich 217.800 Tonnen CO2 eingespart werden können.

Gerade auch im Lebensmittel-Bereich wird mit dem naBe-Aktionsplan eine wesentliche Lücke in der Ökologisierung von Österreichs öffentlichen Küchen geschlossen: Der regionale und saisonale Bezug qualitativ hochwertiger Lebensmittel in Verbindung mit einer stetig steigenden Bio-Quote auf 55 Prozent ab 2030, verstärkte Anforderungen an das Tierwohl, das Angebot eines Klimatellers und die Umstellung auf klimafreundliche, fleischreduzierte Menüzusammenstellungen werden nun berücksichtigt.

Die Nachhaltigkeit ist nun transparent ausgewiesen

Nachhaltigkeit ist ein strapazierter Begriff, der ohne jegliche Nachweise von Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen auch zur Imageaufbesserung missbräuchlich verwendet werden kann. Beim naBe-Aktionsplan sind die Anforderungen an nachhaltige Produkte und Dienstleistungen jedoch transparent ausgewiesen. Der naBe-Kriterienkatalog liefert in seinen 16 Produktgruppen konkrete Kriterien sowie Zielkorridore. Diese müssen zum Beispiel im Bereich Mobilität, Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), Hochbau oder Lebensmittel mit definierten Zertifikaten nachgewiesen werden.

Zentral sind hier der Einsatz vertrauenswürdiger Gütezeichen wie das Österreichische Umweltzeichen und von Umweltmanagementsystemen wie Emas (das Umweltmanagementsystem der EU) oder ISO 14001, die in den Produktgruppen teilweise sogar verpflichtend vorgeschrieben sind. Bei der Beschaffung von Strom setzt der naBe-Kriterienkatalog beispielsweise auf die Umweltzeichen-Richtlinie UZ46 Grüner Strom und bei Papier wird Emas oder ISO 14001 in den Produktionsbetrieben vorausgesetzt. Bei Lebensmitteln, insbesondere bei Fleisch, wird das AMA-Gütesiegel schrittweise mit den Zusatzanforderungen "Mehr Tierwohl" ein wichtiger Standard. Bei IKT wird im Clientbereich TCO-Certified - ein Prüfsiegel, welches sowohl ökologische als auch soziale Aspekte in der Lieferkette kontrolliert - empfohlen.

Klimaneutralität bis 2040 als Ziel im Regierungsprogramm

Die öffentliche Verwaltung kann sich keinen weiteren Aufschub von Klimaschutzmaßnahmen leisten. Im Regierungsprogramm wurde das Ziel verankert, Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, bis 2030 soll Österreich bilanziell nur noch echten Ökostrom nutzen, und die Bio-Anteile bei Lebensmittel sollen auf 55 Prozent hochgeschraubt werden.

Um diese ambitionierten Ziele verwirklichen zu können, bedarf es einer konsequenten Ausrichtung der Beschaffung auf diese Nachhaltigkeitsziele. Korridore sollen der Wirtschaft dabei helfen, ihre Produktion innerhalb von Planungshorizonten weiterzuentwickeln. Die Vorbildfunktion des Bundes, welche im naBe-Aktionsplan sichtbar wird, soll aber auch Signalwirkung für die Betriebe haben, ihre Produkte sowie Dienstleistungen und generell ihre Managementsysteme zu ökologisieren. Das Österreichische Umweltzeichen und Emas geben hier die Richtschnur vor.

Kosteneffizienz und Nachhaltigkeit schließen einander nicht aus, das komplette Gegenteil ist der Fall. Der ganzheitliche Blick ist hier entscheidend, das heißt, die Betrachtung der Lebenszyklus-Kosten: von der Produktion über die Lieferung und Inbetriebnahme bis zu den Betriebs- und Wartungskosten und letztlich der Entsorgungskosten sowie das Abrücken vom reinen Fokus auf den Einkaufspreis, Stichwort Bestbieterprinzip.

Man kann auf vieles verzichten, um zu sparen

Ein weitsichtiges Bedarfsmanagement kann gerade auch das Gebot der Sparsamkeit mit dem der Nachhaltigkeit besonders gut verbinden. Auf viele Bedarfe kann schlicht auch verzichtet werden. In der Verwaltung wären hier insbesondere länderübergreifende Reisebewegungen zu nennen, die durch die Nutzung von Tele-Konferenzen vermieden werden können. Und generell können in Sachen Mobilität in der öffentlichen Verwaltung die notwendigen Wege oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt und damit die Fuhrparks reduziert und Treibhausgase eingespart werden.

Es hat sich aber auch gezeigt, dass die notwendige Veränderung von Konsummustern prozesshaft verläuft. Die Zusammenarbeit wesentlicher Player und die Institutionalisierung einer Servicestelle sind daher wichtige Maßnahmen.

Das Team der naBe-Plattform, die 2019 vom Klimaschutzministerium in der Bundesbeschaffung GmbH (BBG) eingerichtet wurde, nimmt ihre Aufgabe als Informations- und Servicestelle engagiert wahr und unterstützt Beschaffende in öffentlichen Einrichtungen beim nachhaltigen Einkauf. Sie etabliert sich als zentraler Knotenpunkt für nachhaltige Beschaffung in Österreich und vernetzt sich in Europa und darüber hinaus, um gezielt Synergien zu nutzen. Die klimaneutrale Verwaltung nimmt dadurch weiter konkrete Gestalt an.

Sie sind anderer Meinung?

Diskutieren Sie mit: Online unter www.wienerzeitung.at/recht oder unter recht@wienerzeitung.at