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Ein Wettlauf gegen die Zeit

Von Veronika Eschbacher

Politik

Ukrainische Währung auf Rekordtief - hektisches Treiben bei den internationalen Finanzinstitutionen.|Für Hilfsgelder aus dem Westen muss neue Führung Reformwillen beweisen.


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Kiew. Bereits länger als geplant feilt man in Kiew an einer Übergangsregierung. Diese steht vor fast übermenschlichen Aufgaben: Sie soll den Wünschen der Aktivisten auf dem Maidan gerecht werden, die sich immer aktiver in den politischen Prozess einbringen, das Auseinanderfallen des Landes verhindern, den vollkommenen Bruch mit Russland hintanhalten (siehe "Putin versetzt Streitkräfte in Alarmbereitschaft") und nicht zuletzt den wirtschaftlichen Kollaps des Landes verhindern. Gerade bei Letzterem läuft die Zeit davon, die Märkte werden mit jedem Tag nervöser. Die Landeswährung Hrywnja fiel am Mittwoch gegenüber dem Dollar um 3,7 Prozent auf ein erneutes Rekordtief, die Absicherung ukrainischer Anleihen verteuerte sich weiter.

Die Zahlungsunfähigkeit droht der Ukraine Analysten zufolge vor allem aufgrund der aktuellen Liquiditätskrise, nicht zuletzt wegen der auf Eis gelegten Hilfszahlungen an Russland. Die Staatsschulden sind zwar über die letzten Jahre stark angestiegen, liegen aber mit gut 41 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) auf durchaus erträglichem Niveau. Das Land muss aber bis Ende nächsten Jahres Fremdwährungsschulden in Höhe von gut 15,6 Milliarden Dollar bedienen - die nächsten Zahlungen stehen bereits in ein bis zwei Wochen an.

Wie, steht momentan noch in den Sternen: Der Staatshaushalt verzeichnete 2013 ein Defizit von knapp 8 Prozent des BIP. Und auch für dieses Jahr ist ein Minus prognostiziert. Zudem sind die Reserven der Zentralbank zusammengeschmolzen - zur (erfolglosen) Stützung der Landeswährung hat die Ukraine laut Goldman Sachs alleine im Februar bis zu 6 Milliarden Dollar verkauft.

Schnelles Geld gesucht

Wie schnell die internationale Gemeinschaft der Ukraine aus der Misere helfen kann und wird, ist fraglich. Zwar haben der Internationale Währungsfonds (IWF), die USA, die EU oder die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) grundsätzlich Bereitschaft zur Hilfe angekündigt, mit der Verlautbarung konkreter Summen halten sich aber alle Seiten noch zurück. Seit Samstag aber laufen bereits intensive Gespräche zwischen den internationalen Finanzinstitutionen und den politischen Entscheidungsträgern zur Koordination der Hilfen. Für konkrete Schritte samt Zusagen jedoch fehlen noch zwei entscheidende Informationen: Die Institute wissen noch nicht, ob die neue Führung in Kiew reformwillig ist. Der IWF hatte schon vorher neue Hilfen auf Eis gelegt, da die alte Regierung unter Präsident Wiktor Janukowitsch Strukturreformen wie etwa die Erhöhung der Gaspreise ablehnte.

Die zweite Frage, über die man sich aktuell den Kopf zerbricht, betrifft auch die Legitimität der Übergangsregierung bis zu den Präsidentschaftswahlen am 25. Mai. Klar ist aber allen Seiten, dass sehr bald etwas geschehen muss. Dafür sprach sich etwa das EU-Parlament am Mittwoch aus. Manche Beobachter glauben nun, dass kurzfristig einzelne Länder der EU oder des Westens bilateral der Ukraine helfen werden und erst mit der neuen, legitimen Regierung ein umfassendes Paket mit dem IWF und weiteren Instituten ausgearbeitet wird, für das die geforderten Reformen ohne extremen Zeitdruck ausgehandelt werden können.

Auch die Europäische Investitionsbank (EIB), die kurzfristig ihre Tätigkeiten in der Ukraine aufgrund der Unruhen auf Eis gelegt hatte, geht davon aus, dass sie "ein wichtiger Teil eines konzertierten Angebots der EU an die Ukraine sein wird", sagte eine Sprecherin zur "Wiener Zeitung". Die EBRD, größter Investor in der Ukraine und bis auf ein Projekt im Bereich Kernkraftsicherheit nur im Privatsektor engagiert, gibt an, mit anderen internationalen Finanzinstitutionen, aber auch der EU, im Gespräch zu sein, um die Möglichkeiten in der Ukraine zu sondieren.

Aber auch im Land selbst wird von der Zentralbank und der neuen Führung trotz aller Turbulenzen an einem Krisenprogramm gearbeitet. Dieses soll noch in dieser Woche vorgelegt werden, sagte der erst diese Woche neu eingesetzte Zentralbankchef Stepan Kubiw am Mittwoch. Man arbeite bereits an Maßnahmen, mit denen die Kapitalflucht gestoppt werden solle. Die Ukraine erwägt auch die völlige Freigabe der Hrywnia. Eine frei handelbare Währung gilt als Voraussetzung für Hilfen vom IWF.