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Aus 54 Ländern Asiens, Afrikas, Lateinamerikas und Europas stammten die 220 Delegierten, die sich am Wochenende in Beirut zu einer dreitägigen Konferenz unter dem Titel: "Wie geht's weiter mit der Antikriegsbewegung" eingefunden haben. Im Mittelpunkt der Gespräche und Diskussionen standen die Auseinandersetzungen um die Lage im Irak und Palästina, war es doch das erste Mal, dass VertreterInnen westlicher und fernöstlicher Bewegungen mit SprecherInnen des Widerstands aus dem Nahen und Mittleren Osten zusammentrafen.
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Den Auftakt dieser Konferenz, die von der thailändischen NGO "Focus on the global South" unter Leitung des international bekannten Globalisierungskritikers Walden Bello veranstaltet wurde, bildete ein Besuch in den libanesischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila, wo vor genau 22 Jahren auf Anordnung Ariel Sharons Hunderte Palästinenser massakriert worden waren. "Inzwischen ist der Libanon zum Symbol einer islamischen Befreiung geworden, um die es heute auch im Irak und in Palästina geht", erklärte der libanesische Anthropologe Mohsen Saleh unter Berufung auf die Werte, die die schiitische Hisbollah-Bewegung damals motivierte.
Dass es gerade die politisch-religiös fundamentierten Konzepte von "Befreiung" und "Selbstbestimmungsrecht der Völker" sind, welche heute die USA und Israel dazu veranlassen, eine "Islamophobie" als Rechtfertigslehre für ihre Inteventionstruppen im Irak und in Palästina weltweit zu verbreiten, gab den Anlass für stundenlange Diskussionen zwischen den Delegierten westlicher Antikriegsbewegungen und den zahlreichen VertreterInnen des arabischen Widerstands. Insbesondere über die Geiselnahmen im Irak entspann sich eine äußerst hitzige Debatte. Die irakische Delegation, unter denen sich auch (namentlich nicht genannt werden wollende) Vertreter von Moktada Al Sadr und der Aufständischen in Falludscha befanden, vertraten die Meinung, dass es sich bei den Geiseln in den allermeisten Fällen um Männer und Frauen handelte, die den "Kriegstreibern" in der einen oder anderen Weise zuarbeiteten.
Recht auf Widerstand?
Der Einwand der italienischen und französischen KonferenzteilnehmerInnen, dass die Gefangennahme von Journalisten und MitarbeiterInnen humanitärer Organisationen sowohl den irakischen als auch den westlichen Antikriegsbewegungen schade, wurde von den IrakerInnen zunächst mit dem sehr emotial vorgetragenen Argument entkräftet, sie hätten eben angesichts der Greueltaten das Recht, Widerstand zu leisten. Erst als eine Vertreterin der Opposition in Afghanistan sagte, dass von der afghanischen Bevölkerung die arabischen, unter dem Namen Al Kaida bekannten Netzwerke "genauso wie die USA" als ausländische Besatzungsmacht empfunden würden, entfuhr es einem Scheich aus Bagdad: " Naja, es gibt ja auch wirkliche Terroristen".
Im allgemeinen verdichtete sich der (nicht immer offen zugegebene) Eindruck, dass der irakische Widerstand zwar durch den gemeinsamen Kampf gegen die (ziemlich weit definierte) Besatzungsmacht irgendwie verbunden ist, aber über keine gemeinsame Organisationsstruktur verfügt. Deshalb tauchte bei den irakischen Delegierten immer wieder der Ruf nach einer politischen "Einheitsfront" auf, eine Forderung, die auch die Delegierten aus anderen Teilen der Welt unterstützen wollten. Es wurde sogar über die Abhaltung einer internationalen Konferenz im Irak selbst diskutiert, die gleichzeitig mit einer nationalen Versammlung der oppositionellen Kräfte des Irak stattfinden könnte. Den Sicherheitsbedenken kam der Vertreter des Widerstands in Falludscha mit der firm vorgetragenen Bemerkung zuvor: "Ich garantiere eure persönliche Sicherheit."
In der gemeinsamen Abschlusserklärung unterstützten die TeilnehmerInnen der weltweiten Antikriegsbewegungen einhellig "das Recht der Völker des Irak und Palästinas auf Widerstand gegen die Besatzung" und forderten den sofortigen Abbruch der "Apartheid-Mauer". Ebenso kündigten sie eine "Anti-Apartheid-Kampagne zur diplomatischen, politischen und ökonomischen Isolierung Israels" unter Einschluß eines weltweiten Boykotts israelischer Produkte und weltweite Mobilisierungen gegen Krieg und Besatzung im Irak und Palästina an.
Es war dies das zweite Mal nach den weltweiten Demonstrationen am 15. Februar 2003, an denen sich an die 30 Millionen Menschen beteiligt hatten, dass sich die Antikriegsbewegungen trafen. Unmittelbar nach dem Irakkrieg hatten sich VertreterInnen dieser Bewegungen in Jakarta, Indonesien getroffen und internationale "Tribunale gegen Bush und Blair" sowie eine Kampagne gegen die US-Militärbasen initiiert. Auch durch die Abstimmung ihrer Aktivitäten auf die Sozialforen (vor allem auf dem Weltsozialforum in Mumbai und Porto Alegre und auf dem Europäisches Sozialforum vom 14.-17. Oktober in London) ist jetzt ein Prozess in Gang gekommen, der - unabhängig vom Ausgang der Wahlen in den USA - die Aktivitäten der Antikriegsbewegung mit denen des Widerstands in den betroffenen Kriegsregionen weltweit koordiniert.