Im Rahmen einer sehenswerten Sonderausstellung präsentiert das Rollettmuseum in Baden bei Wien eine Vielfalt an Formen historischer Wasserzeichen.
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Nachdem die Chinesen jahrhundertelang das Geheimnis der Papierherstellung gehütet hatten, gelangte das Wissen um die Produktion im Hochmittelalter über Arabien ins christliche Abendland. Erst dort wurde das Wasserzeichen erfunden. Bereits ab dem 13. Jahrhundert erstmals in Italien nachgewiesen, entwickelte sich eine Vielfalt an Formen: Im 14. Jahrhundert trat neben der Krone vor allem der Ochsenkopf in unterschiedlichen Facetten dominant als Wasserzeichen auf.
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Wasserzeichen begann im frühen 19. Jahrhundert. Bald wurde klar, dass diese Disziplin wertvolle Beiträge zu historischen Datierungsfragen liefern und bei Echtheitszweifeln von Kunstwerken in vielen Fällen zur Klärung beitragen kann.
Ein Ausstellungsobjekt – die hier als Ausschnitt abgebildete Badener "Nachtwächterrolle" – steht mit der Geschichte des Museums in Zusammenhang: Im Jahr 1888 verkaufte der Badener Lokalhistoriker Gustav Calliano dem Stadtarchiv Baden eine historische Rundansicht der Stadtmauer Badens. Angeblich stammte sie aus dem Besitz eines Nachtwächters. Dazu wurde folgende Geschichte erzählt: Der Nachtwächter musste die ganze Nacht auf der Mauer patrouillieren. Damit er immer genau wusste, wo er war, ist auf der Karte die Schrittzahl zwischen den Stadttoren angegeben.
Bald wurden Zweifel an der Echtheit laut, zumal vor allem die Zeichentechnik nicht jener des 17. Jahrhunderts entspricht. Calliano, der das Stück dem Stadtarchivar und Kustos des Rollettmuseums, Hermann Rollett, verkauft hatte, antwortete darauf, dass die Rolle von Generation zu Generation abgezeichnet wurde, weil sie sich im Dienst stark abgenützt hätte. Ab 1905 galt sie dennoch als Fälschung.
1998 ergab eine Untersuchung der Rolle sowie eines mittlerweile aufgetauchten Zweitexemplares, dass deren Wasserzeichen ("Wilder Mann") bis 1760 in einer Papiermühle in der Umgebung von Baden verwendet worden war. Calliano hatte also für seine "Rekonstruktionen" altes Papier verwendet, was aber seiner eigenen Argumentation widerspricht, dass die Ansicht bis ins 19. Jahrhundert immer wieder neu abgezeichnet wurde. Mithin steht fest, dass er seinem Badener Kollegen von der historischen Zunft einen Streich gespielt hatte . . .
Print-Artikel erschienen am 29. August 2013
in der Kolumne "Museumsstücke"
In: "Wiener Zeitung", Beilage "ProgrammPunkte", S. 7
Ochsenkopf und Meerjungfrau
"Papiergeschichte und Wasserzeichen vom Mittelalter bis zur Neuzeit"Rollettmuseum Baden
2500 Baden bei Wien, Weikersdorfer Platz 1
Mi bis Mo 15–18 Uhr (bis 6. Oktober 2013)
Tel. 0 22 52/48 2 55