Rettungshilfe lässt neuer Regierung kaum Spielraum. | Portugal kam gut voran, dank Abgaben von Kolonien und EU. | Wien. Wer durch die Gassen Portos spaziert, findet sich teils in der Vergangenheit wieder. Vor dem offenen Hausportal schneidet der Friseur, auf einem Holzschemel sitzend, die Haare. In der vom Tageslicht ausgeklammerten Tischlerwerkstätte stehen in die Jahre gekommene Gerätschaften. Es sind vor allem ältere Männer, die ihr Tagwerk zu Ende bringen.
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Mit dem EU-Beitritt 1986 erhoffte sich Portugal ein wirtschaftliches Entkommen aus der Peripherie Europas. Vorübergehend haben die hohen EU-Fördermittel die Wirtschaft auch vorangetrieben. Sie flossen vor allem in die Infrastruktur. Nach den EU-Osterweiterungen 2004 und 2007 wurden die EU-Gelder gestrichen, die Basis für das Wachstum brach weg.
Lohn runter, Steuer rauf
Nun kommt eine neuerliche Ladung Geld - diesmal in Form von Hilfszahlungen. Portugals Wirtschaft kränkelt an den hohen Staatsschulden und einer niedrigen Binnennachfrage. Um der Zahlungsunfähigkeit zu entkommen, erhält das Euro-Land als dritter Pleitekandidat neben Irland und Griechenland ein 78 Milliarden Euro schweres Rettungspaket. Die gesamte Milliardenhilfe soll innerhalb von drei Jahren ausgezahlt werden.
Das Reformprogramm, an das die Rettungsgelder von EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) geknüpft sind, verlangt allerdings noch stärkere Sparmaßnahmen als jene, mit denen Socrates im März scheiterte.
Portugal verpflichtet sich, das Haushaltsdefizit von zuletzt 9,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bis 2013 auf höchstens drei Prozent zu drücken. Für das laufende Jahr ist eine Senkung des Defizits auf 5,9 der Wirtschaftsleistung vorgesehen. Außerdem sollen die Privatisierungen in den Bereichen Telekommunikation, Verkehr, Energie und Versicherungen beschleunigt werden. Die Airline TAP steht für Ende des Jahres auf der Verkaufsliste.
Auf der Agenda befindet sich auch die Reform des Arbeitsmarkts. Den Unternehmen sollen Personalwechsel erleichtert, die Arbeitszeit bei Bedarf ausgedehnt werden. Auch das Lohnniveau wird im internationalen Vergleich als zu hoch angesehen. Die EU-Kommission rät außerdem zu Investitionen in Bildung, damit Portugal künftig höherwertige Waren und Dienstleistungen anbieten kann. Neben Gehalts- und Rentenkürzungen - speziell im aufgeblasenen Staatsapparat - soll Geld über die Erhöhung der Fahrzeug-, Tabak-, und Immobiliensteuer hereinkommen.
Doch, sparen und gleichzeitig die Wirtschaft in Gang bringen, wie soll das gehen? Zahlreiche portugiesische Finanzexperten befürchten, dass eine Regierungskoalition, egal ob sie rechts und links sein wird, die notwendige Umsetzung des Sparprogramms verlangsamen dürfte. "Die Portugiesen werden ihre Schulden in Griff bekommen müssen, ob sie wollen oder nicht", hält der spanische Ökonom Carlos Buhigas Schubert dem entgegen. Er glaubt jedoch nicht, dass Hilfszahlungen Portugals Probleme lösen. Die wirtschaftliche Dynamik müsse von innen heraus erfolgen. Der wirtschaftliche Fortschritt Portugals werde aber nie ein Niveau von Deutschland oder anderen EU-Ländern erreichen, so der Ökonom. Damit müssten alle leben.
Gold aus Kolonialzeiten
Schon in der Vergangenheit waren es immer wieder die gravierenden Wirtschaftsprobleme des Landes, welche zu ständigen Regierungswechseln führten. In den letzten rund 30 Jahren wurden die Portugiesen bereits von 16 Ministerpräsidenten regiert.
Ein Handelsdelegierter beschrieb die Sondersituation Portugals vor einigen Jahren mit den Worten: "Portugal ist nicht daran gewöhnt, Leistungen im eigenen Land zu erbringen. Erst kam das Geld in Form von Gold aus Lateinamerika, später waren es die Abgaben der Kolonien und in neuster Zeit die millionenschweren EU-Fördergelder."
Medienberichten zufolge sitzt die portugiesische Regierung immer noch auf vielen Tonnen Gold, will diese jedoch bisher nicht zur Disposition stellen.