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Ein Wunder, das Cordoba verblassen lässt

Von Tamara Slavik

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Die Arroganz der Deutschen ist uns völlig fremd. Denn wer würde jetzt noch auf Cordoba herumreiten?


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Wir erinnern uns an Cordoba. Nicht, was Sie jetzt denken. Natürlich sind nicht wir die, die sich an Cordoba erinnern. Das wäre doch irgendwie peinlich, jetzt, nach dem Wunder von Wien , wie mancherorten vom ruhmreichen 1:1 gegen Polen geschrieben wird. Haben wir es doch nicht nötig, ständig auf einem völlig belanglosen Spiel herumzureiten, in dem wir zufällig 3:2 gewonnen haben, obwohl eigentlich die Deutschen dreimal ins Tor getroffen haben. Einmal halt ins falsche, aber sowas passiert eben. Nein, das Zitat stammt von der "Bild", die gewohnt messerscharf die Gefühle der Deutschen analysiert.

Gut sind die derzeit nicht - weder die Deutschen, noch ihre Gefühle. Das 1:2 gegen Kroatien hat Spuren hinterlassen. Da haben´s die österreichischen Fußball-Fans schon besser. Nach dem Wunder , dem Ausgleich in der Nachspielzeit - dass die Deutschen davor gegen die Polen mit 2:0 gewonnen haben, tut jetzt wohl nichts mehr zur Sache -, ist Glückseligkeit angesagt. Vier Tage sich als Europameister fühlen. Vier Tage, in denen man sich mit genügend Bier intus einreden kann, man wird ins Viertelfinale einziehen und von dort einen Durchmarsch starten. Und, was beim gelernten Österreicher sogar die noch größeren Glücksgefühle auslöst, die Deutschen gleich so nebenbei ins Verderben schießen. Die Frage, wer das erledigen soll, wird hier lieber nicht gestellt. Andererseits wissen wir ja dank Klatschspalten, warum unser im Ausland erfolgreichster Angreifer Roland Linz, der bei Dorf- und Disco-Schönheiten über eine ähnliche Anziehungskraft verfügen soll wie das Licht über die Motten, nicht trifft.

Macht nix, beim zum Schicksalsspiel stilisierten Vorrunden-Spiel am Montag werden wir´s allen zeigen. Das haben mittlerweile auch schon die Deutschen begriffen. Man könnte fast sagen, im Land des WM-Dritten geht die Angst um. Dass die berechtigt ist, haben wir ja schon beim 0:3 bei einem Testspiel im Februar gezeigt, wo wir - so der allgemeine Biertisch-Tenor - sensationell gespielt und beinahe gewonnen haben. Was sind schon drei Gegentore? Immerhin haben wir uns seit damals immens gesteigert und die Deutschen endlich ihr sprichwörtliches Glück verloren. Das alles veranlasst auch die "Bild"-Redakteure zu der Bemerkung, hoffentlich sind diesmal nicht wir die Dösis. Und hoffentlich, können wir dem nun mit Stolz entgegnen, stellen die Österreicher sich diesmal nicht so an wie am Donnerstag unsere Lieblingsnachbarn. Ihren Fehler hat Michael Ballack, der nicht nur der Traum aller potenziellen Schwiegermütter, sondern auch ein ziemlich guter Analytiker zu sein scheint, erkannt: "Vielleicht haben wir gedacht, wir hätten schon etwas erreicht." Hm. Ziemlich dämlich eigentlich. Uns könnte sowas nicht passieren.

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"Man könnte fast sagen, im Land des WM-Dritten geht die Angst um."