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"Ein wunderbares Signal"

Von Martyna Czarnowska

Politik

Kompromiss zwischen Griechenland und Mazedonien wirkt auf die ganze Region - trotz Hürden.


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Skopje/Athen/Wien. Die Freude hielt noch am nächsten Tag an. Dass die Regierungen von Griechenland und Mazedonien ihren jahrzehntelangen Namensstreit beigelegt haben, veranlasste Politiker aus halb Europa dazu, Gratulationen auszusprechen. Denn für Skopje könnte es das Ende einer Blockade sein, mit der Athen eine Annäherung des Balkan-Staates an die EU und das Militärbündnis Nato verhindert hat - mit dem Argument, dass eine Region im Norden Griechenlands ebenso heißt wie das Nachbarland. Dieses soll sich daher künftig Nord-Mazedonien nennen. Das verkündeten der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras und sein Amtskollege Zoran Zaev am Dienstag.

Tags darauf ernteten sie aber nicht nur Glückwünsche, sondern auch Kritik - aus ihrem jeweiligen Land. In Mazedonien wandte sich die nationalkonservative Opposition gegen den Kompromiss, den sie als "Kapitulation" bezeichnete. Auch Präsident Georgi Iwanow äußerte schon Einwände und verwies auf mögliche verfassungsrechtliche Probleme. Denn im Grundgesetz müsste der Staatsname geändert werden, was mit einer Volksabstimmung eingeleitet werden soll, allerdings erst im Herbst.

Parlamente müssen zustimmen

Zunächst aber sind die Parlamente in beiden Staaten an der Reihe. Sie müssen der nun getroffenen Vereinbarung mit absoluter Mehrheit zustimmen. Und da werden nicht nur in Skopje Gegenstimmen laut. Auch in Athen regt sich Widerspruch, selbst aus Regierungskreisen. Ablehnung kam ebenfalls aus den Reihen der konservativen Oppositionsfraktion Nea Dimokratia (ND). Deren Vorsitzender Kyriakos Mitsotakis wetterte laut Deutscher Presseagentur gegen das Abkommen: Es sei ein "nationaler Rückzug", dass Athen die Existenz einer mazedonischen Sprache und einer mazedonischen Ethnie akzeptiert habe. Das legt das Dokument nämlich fest: Mazedonier dürfen sich weiterhin Mazedonier nennen und mazedonisch sprechen, auch wenn sie künftig aus der Republik Nord-Mazedonien kommen. Dafür wird diese Bezeichnung eben auch in der Verfassung des Landes verankert.

Trotz der verbleibenden Hürden gibt aber die Einigung nach einem Vierteljahrhundert Zwist Anlass zu Optimismus. "Es ist ein wunderbares positives Signal", kommentiert Florian Bieber, Leiter des Zentrums für Südosteuropastudien an der Karl-Franzens-Universität Graz. Und dieses Signal wirke gleich in mehrere Richtungen: in die Region selbst und in die EU. Zum einen könnte die positive Dynamik die in einigen - vor allem west- und nordeuropäischen Mitgliedstaaten - ausgeprägte Erweiterungsskepsis mildern. Zum anderen könnte sie auch die übrigen fünf südosteuropäischen Länder zu größeren Reformanstrengungen bewegen. Neben Mazedonien streben Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, der Kosovo und Albanien eine Aufnahme in die EU an.

Wettbewerb um Reformen

Gerade Tirana könnte von einem Erfolg Skopjes profitieren. "Albanien würde von dem Prozess mitgezogen", sagt Bieber gegenüber der "Wiener Zeitung". Denn wenn die EU Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien beginnt, ist parallel dazu der Start der Gespräche mit dem Nachbarland sehr wahrscheinlich. Und dann würde die Union nicht mit zwei - Serbien und Montenegro - sondern schon mit vier von sechs EU-Anwärtern verhandeln, was wiederum den Reform-Wettbewerb in der Region fördern könnte.

Eines ist aber nach der Meinung des Politologen schon jetzt zu würdigen: die Zusammenarbeit Griechenlands und Mazedoniens in den vergangenen Monaten. "Die Regierungen waren von sich aus in der Lage, das Problem zu lösen - auch wenn die Vereinten Nationen zuvor vermittelt hatten." Doch die Einigung erfolgte zwischen den Staaten. "Das bringt eine gewisse Reife zum Ausdruck", findet Bieber.