)
Weg von den USA, hin zu China: Rodrigo Duterte, der Präsident der Philippinen, sucht offenbar eine Kursänderung für sein Land.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Manila/Wien. Der chinesische Botschafter auf den Philippinen bemühte blumige Worte. Die Wolken hätten sich verflüchtigt, die Sonne gehe am Horizont auf und tauche das bilaterale Verhältnis zwischen China und den Philippinen in ein wunderschönes Licht, sagte Zhao Jianhua bei einer Rede.
Eine ganz andere Sprache gebraucht gewöhnlich der philippinische Präsident Rodrigo Duterte: Er nannte US-Präsident Barack Obama einen "Hurensohn", und von dessen "schwulem Botschafter, diesen Hurensohn" (O-Ton Duterte) zeigte sich der Staatschef "angepisst". Der Beleidigte, Philip Goldberg, hatte zuvor den Anti-Drogenkrieg Dutertes scharf kritisiert. Bei diesem hat der Präsident Schießbefehl auf vermeintliche Dealer und Abhängige erteilt. Etwa 3000 Menschen sollen seit dem Amtsantritt Dutertes Ende Juni getötet worden sein.
Von China hat Duterte keine Kritik an seinem Kampf gegen Drogen zu befürchten. Und seine derben Ausfälle gegenüber den USA dürften Musik in den Ohren der chinesischen Machthaber sein. Denn für Peking, das den USA die Vormachtstellung im pazifischen Raum streitig macht, ergibt sich nun die Chance, Washington einen wichtigen und bisher äußerst loyalen Verbündeten abspenstig zu machen.
Peking umgarnt Duterte
So wurde Duterte bei einem Staatsbesuch in Peking vor einer Woche mit herausragender Zuvorkommenheit behandelt. Und der 71-Jährige verkündete dann auch gleich die "Trennung" seines Landes von den USA. Kurz darauf war er um Schadensbegrenzung bemüht: Freilich werde man weiter diplomatische Beziehungen zu Washington unterhalten, sagte Duterte nach seiner Rückkehr.
Auch bei seinem Besuch in Japan diese Woche holte Duterte - ausgerechnet, als er bei einem der engsten US-Verbündeten zu Gast war - erneut zu einem Schlag gegen die Vereinigten Staaten aus: Die USA "denken, sie sind sonst wer", wetterte Duterte. Sie sollten aufhören, sein Land "wie einen Hund an der Leine zu führen". Deutlich wurde Duterte auch, was die Präsenz der US-Truppen in seinem Land betrifft. Diese nutzen über Kooperationsverträge philippinische Militärbasen. "Ich will sie raushaben", verkündete er. Aber auch hier kam gleich wieder die Relativierung. Duterte werde die US-Soldaten nicht aus dem Land werfen, sagte sein Außenminister Perfecto Yasay.
Weiß Duterte überhaupt, was er will? Er handelt jedenfalls oft impulsiv und ist offensichtlich wegen der harschen US-Kritik an seiner brutalen Anti-Drogen-Politik beleidigt. Gleichzeitig scheint seine Annäherung an China doch auch Teil einer Strategie zu sein, die die Philippinen längerfristig näher an Peking heranrückt und zu den USA distanziert. Fraglich ist aber, wie weit er dabei gehen will und ob er sich darüber selbst schon im Klaren ist.
Denn die USA betonen, dass sie auf diplomatischen Kanälen noch nichts von irgendeiner Aufkündigung der Allianz vonseiten der Philippinen erfahren hätten. Auch philippinische Militärs beteuerten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass sie noch nichts Konkretes erfahren hätten, welche gemeinsamen Übungen und Kooperationen nun gestoppt werden sollen. Das jährliche Treffen zwischen hochrangigen Militärs beider Länder wurde von 24. Oktober auf 24. November verschoben, weil die philippinischen Vertreter die US-Wahlen abwarten wollen.
Der Kurs Dutertes dürfte beim philippinischen Militär auf nicht allzu viel Gegenliebe stoßen. Denn dieses gilt als US-freundlich, außerdem bestehen durch die gemeinsamen Übungen auch jahrelange Kontakte auf höchster Ebene.
Überhaupt geht Duterte ein innenpolitisches Risiko ein. Zwar spricht er mit seinem Ruf nach mehr Eigenständigkeit patriotische Gefühle an, demonstrieren immer wieder Aktivisten gegen die US-Militärpräsenz im Land. Doch gleichzeitig hat kein anderes südostasiatisches Land eine so enge Bindung zu den Vereinigten Staaten wie die ehemalige US-Kolonie. So schickt etwa die Elite ihre Kinder noch immer zur Ausbildung in die USA.
Unter Dutertes Vorgänger Benigno Aquino waren die Philippinen noch einer der treuesten US-Verbündeten und auf anti-chinesischem Kurs. So haben sie China wegen Gebietsstreitigkeiten im Südchinesischen Meer geklagt - und vom Ständigen Schiedshofs in Den Haag recht bekommen. China verkündete gleich, dass es das Urteil ignorieren will - was die ohnehin schon stark anti-chinesische Stimmung auf den Philippinen noch weiter anfachte.
Trotzdem hat Duterte - dem auch ein Naheverhältnis zu China-freundlichen Geschäftsleuten nachgesagt wird - gute Gründe, sich China anzunähern. Denn, so schreibt das renommierte Magazin "Economist" in einer Analyse, die Philippinen mussten einen hohen Preis für ihre bisherige Haltung zahlen. China war äußerst zurückhaltend mit seinen Investitionen auf dem Inselstaat, die Regierung in Peking rief sogar chinesische Touristen auf, die Philippinen zu meiden. Zudem hinderte Chinas Marine philippinische Fischer daran, in ihren traditionellen Gewässern im Südchinesischen Meer zu fischen. Nun lockt Peking mit einer stärkeren Öffnung seines Marktes für philippinische Produkte, mit billigen Krediten, mit Kooperationen bei Infrastrukturprojekten. Und auch die philippinischen Fischer ließ das chinesische Militär laut Medienberichten gestern, Freitag, zum ersten Mal wieder passieren.
Militärisch heillos unterlegen
Allerdings ist dies eine Geste, die Peking jederzeit zurücknehmen kann, ohne dass die Philippinen viel unternehmen können. Sie sind China nämlich militärisch heillos unterlegen. Deshalb warnen auch viele Kommentatoren in Manila, dass Duterte es sich gut überlegen sollte, wie sehr er die Schutzmacht USA verprellen will.
Mit seinem Vorgehen sorgt Duterte jedenfalls in der gesamten Region für Unruhe, denn er könnte die Kräfteverhältnisse im Match zwischen China und den USA verschieben. Die USA versuchen, Chinas Erstarken durch Bündnisse einzudämmen. Von Japan und Südkorea etwa sind sie die Schutzmacht, oder auch mit Vietnam pflegen sie ein immer engeres Verhältnis. China wiederum - und das ist typisch für eine entstehende Großmacht - will in seinem Hinterhof, sprich in Ostasien mit seinen für die internationale Schifffahrt so wichtigen Gewässern, die Vormachtstellung erringen. Wenn nun die Philippinen zusehends aus dem US-Block ausscheren und sich immer mehr China zuwenden, dann unterstreicht das noch einmal das Erstarken der Volksrepublik. Und sorgt wohl in anderen Ländern, die mit China Gebietsstreitigkeiten haben - wie etwa Japan -, für zusätzliche Nervosität.
Welchen Kurs Duterte in Zukunft auch einschlagen mag, ein Versprechen hat er bereits gegeben: Er will nicht mehr fluchen. Denn Gott persönlich habe ihn während seines Rückfluges aus Japan aufgefordert, seine Schimpfereien bleiben zu lassen -sonst würde das Flugzeug abstürzen, erklärte Duterte vor philippinischen Journalisten. Diesem Befehl von oben habe er sich gebeugt. Allerdings, so deutete Duterte an, mit einer kleinen Einschränkung: Wenn es um die USA oder den Westen geht, könnten gewisse Umstände ihn des Versprechens entheben.