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Ein zahnloser Tiger namens Europäischer Rechnungshof

Von Walter Hämmerle

Europaarchiv
Der EU-Rechnungshof: 1000 Mitarbeiter, 145 Millionen Budget und bescheidene Erkenntnisse. Foto: European Union

Prüfungen nur nach Buchstaben der Gesetze. | Konflikt zwischen Nehmer- und Geberländer. | Wien/Brüssel. Sein Sitz liegt in Luxemburg, er verfügt über 27 Mitglieder, fast 1000 Mitarbeiter sowie ein Budget für heuer von 145 Millionen Euro jährlich - und fast niemand weiß, dass es ihn überhaupt gibt.


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Die Rede ist vom Europäischen Rechnungshof, der immerhin für die Prüfung des Haushalts der Europäischen Union zuständig ist. Letzterer beläuft sich für 2011 auf stolze 142 Milliarden Euro.

Für sein Schattendasein gibt es handfeste Gründe. Der EU-Rechnungshof prüft lediglich, ob die Ausgaben und Haushaltsführung der Union nach dem Gesetz rechtmäßig erfolgt ist. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Damit unterscheidet er sich gravierend von nationalen Einrichtungen wie etwa dem Österreichischen Rechnungshof, der nicht nur auf Rechtmäßigkeit, sondern auch auf Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit bei der Verwendung öffentlicher Mittel zu achten hat. Solange also alles entsprechend den Buchstaben des Gesetzes erfolgt, ist für die Prüfer in Luxemburg alles in Ordnung, egal, ob man das gleiche Resultat auch mit der Hälfte der Mittel hätte erreichen können.

Die Zahnlosigkeit der EU-Prüfer ist selbstgewählt, erläutert Harald Wögerbauer, der seit April Österreich in dem Gremium vertritt. Niemand hindere den EU-Rechnungshof, nach den gleichen Kriterien das Gebaren der Union zu prüfen, wie dies nationale Rechnungshöfe tun. Dazu bedürfe es nur einer Mehrheit unter den 27 Mitgliedern, so der ehemalige Direktor des ÖVP-Klubs im Parlament. Doch eine solche ist nicht in Sicht, bedauert Wögerbauer. Beobachter sehen die Frontlinie zwischen Geber- und Nehmerländern in der EU - und Letztere sind in der Mehrheit.

Die Empfängerländer haben naturgemäß kein Interesse an konkreter Benennung von Missständen und Verschwendern, also werden lediglich abstrakte Fehlerquoten bei der Verwendung der EU-Mittel genannt. Dass dies im Sinne der Steuerzahler nicht zielführend ist, ist für Wögerbauer klar. Und er drängt auf Änderungen. So wurde Ende Mai im Kontrollausschuss des EU-Parlaments auf Initiative Wögerbauers ein Positionspapier des Rechnungshofs debattiert, in dem der zahnlose Tiger aus Luxemburg immerhin auf eine Ausweitung seiner Prüfkompetenzen drängt.

Dabei geht es um die Rettungs- und Stabilisierungsmaßnahmen der EU im Zuge der Finanzkrise. Hier pocht der EU-Rechnungshof auf eine Prüfkompetenz des ab 2013 in Kraft tretenden 500 Milliarden Euro schweren permanenten Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM. Eine Entscheidung des EU-Parlaments dazu steht im Herbst an.

Aber nicht nur der mäßige Prüfehrgeiz des EU-Rechnungshofes, auch die Gehälter der Mitglieder tragen wenig dazu bei, auf Bürgerseite das Vertrauen in die EU zu stärken. Auf rund 23.000 Euro monatlich 12-mal im Jahr kommt Wögerbauer. Durchaus angemessen, findet dieser, schließlich müsse er nun zwei Haushalte finanzieren. Und: "Finanziell bedeutete meine Beförderung durchaus einen Rückschritt."

Zur Person

Harald Wögerbauer, geboren 1953 in Wien, studierte Jus und Volkswirtschaft; 1974 Eintritt in den Österreichischen Rechnungshof, ab 1979 dem Parlament dienstzugeteilt; seit April Österreichs Vertreter im EU-Rechnungshof. Foto: vp