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Eine neue Schlacht um Europa hatte David Cameron eigentlich vermeiden wollen. Seine Partei, so hatte er den britischen Konservativen voriges Jahr eingeschärft, müsse ablassen von ihrer diesbezüglichen "Besessenheit". Mit Brüssel, glaubte der Tory-Chef, würde man sich schon irgendwie arrangieren. An mehr Integration schienen, nach dem Gerangel um Lissabon, auch die Partnerstaaten nicht sonderlich interessiert.
Nun hat die Eurokrise dieses Kalkül zunichte gemacht. Die europäische Integration ist nicht nur erneut zum politischen Thema, sondern buchstäblich zur Schicksalsfrage des ganzen Kontinents geworden. Engerer Zusammenschluss, erklären die Ökonomen, sei keine Option mehr, sondern Voraussetzung fürs Überleben des Euro. Und für die Stabilisierung der Wirtschaft, weit über die europäischen Grenzen hinaus.
Das sieht auch Cameron so, dessen Land der Eurozone gar nicht angehört. Die Angst vor einem Kollaps der Währung treibt den Regierenden in London den Schweiß auf die Stirn. Ebenso wie Cameron hält auch Schatzkanzler George Osborne die weitere Integration für eine "gnadenlose Logik", der die 17 Euro-Länder schnellstens folgen müssten.
Der Appell aus der Downing Street entbehrt natürlich nicht einer gewissen Ironie. Seit die Briten der Europäischen Gemeinschaft beitraten, haben ihre Repräsentanten die politische Integration zu bremsen versucht. Weder für die Einheitswährung noch für Schengen waren sie zu gewinnen. Von Arbeitszeit-Vereinbarungen bis zur Menschenrechtscharta haben sie sich gegen europaweite Koordination gesträubt. Die Briten wollten dabei sein, aber nicht eingebunden werden. Ihre Politik zielte auf Präsenz "in Europa" - und immer auf den kleinsten gemeinsamen Nenner.
Das lässt sich nun in dieser Weise nicht mehr machen. Die Krise zwingt alle EU-Staaten zur Neudefinition ihrer Beziehungen. Wie die Eurozone steht auch Britannien mit seinen immer stärker werdenden EU-Skeptikern an einer historischen Schwelle. Will es mitziehen, muss es in kurzer Zeit über einen gewaltigen Schatten springen. Bleibt es zurück, droht sich die Kluft zum Kern der EU gefährlich zu weiten.
Zu mehr als luftigen Konzepten vom künftigen Europa hat Cameron sich aber bisher nicht hinreißen lassen. Von einem "Netzverbund" mit viel "Flexibilität" ist da die Rede, nicht aber, wie sich ein am Rande der EU existierendes Britannien seinen Einfluss in Europa bewahren könnte.