Zum Hauptinhalt springen

Ein Zeitfenster für die Erweiterung

Von Martyna Czarnowska aus Tirana

Politik

EU-Kommission sieht im kommenden Jahr neue Chancen für eine Annäherung der Westbalkan-Staaten an die Union.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Tirana. Enthusiasmus kann auch etwas Beunruhigendes haben. Wenn die Begeisterung sich auf freudige Erwartung beschränkt und keine Taten nach sich zieht, verringert sich ihr Nutzen. Mit dieser Tatsache ist der für Erweiterungsverhandlungen zuständige EU-Kommissar, Johannes Hahn, auf dem Westbalkan konfrontiert. Denn auch wenn sich die Länder der Region nun im Aufwind sehen, müssen sie dennoch weiter an Reformen arbeiten und dürfen sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen, betont er immer wieder - zuletzt bei einem Besuch in Albanien.

Tatsächlich scheinen die Aussichten der sechs Staaten Serbien, Montenegro, Mazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina und Kosovo, die entweder schon den Status eines Beitrittswerbers haben oder darauf hoffen, besser zu sein als noch vor eineinhalb Jahren. Kurz nach dem Referendum der Briten über einen EU-Austritt war bei einer Westbalkan-Konferenz in Paris die Stimmung noch stark getrübt, von einer Ausdehnung der Union war kaum die Rede. Noch dazu standen in einer Reihe von Mitgliedsländern Wahlen an, vor denen die Sorge über rechtspopulistische Tendenzen groß war - und das Erweiterungsthema keinen Platz hatte.

Probleme mit Grenzziehung

Doch mittlerweile ist die EU dabei, ihren Krisenmodus hinter sich zu lassen. Im September betonte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in einer Rede vor dem Europäischen Parlament die EU-Perspektive der Westbalkan-Staaten. Sogar ein mögliches Datum für eine nächste Erweiterungsrunde steht im Raum: 2025.

Doch einfach darauf warten können die Länder nicht, sagt Hahn eben. Es gehe um einen Prozess, den die Beitrittswerber mit ihren Reformbemühungen mitgestalten müssen. "Es ist noch nicht entschieden, welche Staaten als erste aufgenommen werden - selbst wenn sie schon Beitrittsverhandlungen begonnen haben", erklärte er im Gespräch mit Journalisten am Rande der EU-Westbalkan-Medientage in Tirana.

In ihrem Annäherungsprozess sind die Länder denn auch unterschiedlich weit. Während die EU mit Serbien und Montenegro bereits Gespräche führt, haben Mazedonien und Albanien erst den Kandidatenstatus erhalten. Davon ist Bosnien-Herzegowina noch weit entfernt - und der Kosovo noch weiter.

So gut wie alle haben allerdings noch Grenzzwistigkeiten zu lösen. Serbien und Kroatien haben ebenso ihre Dispute wie Serbien und der Kosovo oder der Kosovo und Montenegro. Griechenland wiederum bildet eine Hürde auf dem EU-Weg Mazedoniens. Athen will diese Bezeichnung für den Nachbarn nicht akzeptieren, mit Verweis auf eine gleichnamige griechische Provinz. Dennoch sieht Hahn Grund zu Optimismus. Die Beziehungen zwischen Athen und Skopje hätten sich verbessert, seitdem Mazedonien sich aus einer Verfassungskrise gehievt hat und eine Koalition aus Sozialdemokraten und albanischen Parteien die Regierungsmacht übernommen hat. Das Verhältnis zwischen Mazedonien und Griechenland sei nun konstruktiver, und damit öffne sich ein Zeitfenster für ein Weiterkommen.

Chancen würden sich überhaupt für den gesamten Westbalkan ergeben. "Die kommenden eineinhalb, zwei Jahre werden gute Jahre für die Erweiterung", meint Hahn. 2018 wird zuerst Bulgarien, dann Österreich den EU-Vorsitz innehaben. Darauf folgt Rumänien. Alle drei setzen sich für eine Aufnahme der Westbalkan-Staaten in die Union ein. Im Mai ist in Sofia eine groß angelegte Konferenz zum Thema geplant. Noch zuvor, im Februar, will die EU-Kommission eine Westbalkan-Strategie vorlegen.

Gleichzeitig sei es notwendig, schon jetzt innerhalb der EU die Vorteile einer Erweiterung zu erklären, findet der Kommissar. Für den Abbau der derzeit in etlichen - vor allem westeuropäischen - Ländern vorherrschenden Skepsis gegenüber der Erweiterung brauche es nämlich mehrere Jahre. Andernfalls würden dann die Beitrittskandidaten bereit für eine Aufnahme in die EU sein - und deren Mitglieder noch nicht.