Bei der Bundestagswahl ist die Landesliste der deutschen Öko-Partei im Saarland nicht zugelassen.
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Saarbrücken/Wien. Ein haarstäubender Fehler an den anderen reiht sich im Bundestagswahlkampf bei den deutschen Grünen. Für die neueste Panne sorgte der Landesverband der Öko-Partei im kleinen Saarland, an der Grenze zu Frankreich. Nach innerparteilichen Scharmützeln entschied der Bundeswahlausschuss in Berlin, dass die Saar-Grünen bei der Bundestagswahl Ende September keine Landesliste aufstellen dürfen.
Zwar ist der Beitrag der saarländischen Grünen für das Wahlergebnis der Bundespartei gering. Bei der bisher letzten Bundestagswahl 2017 ging nur etwas mehr als ein Prozent aller grünen Zweitstimmen - rund 35.000 von 4,15 Millionen - an die Öko-Partei. Mit den Zweitstimmen werden die Parteilisten bezeichnet, während mit der Erststimme Wähler für ihren bevorzugten Kandidaten im Wahlkreis direkt votieren können. Von 299 Direktmandaten errangen die Grünen jedoch nur ein einziges, mitsamt den 66 Listenmandaten stellen sie die kleinste Fraktion im Bundestag, nachdem sie bei der Wahl 8,9 Prozent aller Zweitstimmen erzielt hatten.
Maximal unprofessionell
Die völlige Umkehrung der Verhältnisse hin zu Wahlsieg, größter Fraktion und Bundeskanzleramt galt bei den Grünen noch vor einigen Wochen als möglich. Nun müssen sie sich maximale Unprofessionalität ankreiden lassen und dass sich ein Landesverband nicht einmal auf die Erstellung einer Wahlliste einigen kann. Der Neuanfang an der Saar werde "noch einen längeren Atem brauchen", erklärte der grüne Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am Mittwoch zerknirscht.
Zustande kam das Chaos im Saarland, weil die erste Landesliste vom parteiinternen Schiedsgericht gekippt wurde. Mit Hubert Ulrich führte ein Mann die Liste an - entgegen der Usance, wonach Frauen an der Spitzenposition zu stehen haben. Im zweiten Anlauf gewann zwar Jeanne Dillschneider, aber knapp 50 Delegierte von Ulrichs Ortsverband durften nicht mitwählen. Die saarländische Landeswahlleiterin Monika Zöllner sah darin einen "schweren Wahlfehler", der Bundeswahlausschuss bestätigte ihre Meinung mit sechs zu zwei Stimmen bei zwei Enthaltungen.
Auch in der Bundespartei kriselt es weiter. Spitzenkandidatin Annalena Baerbock sorgt nach dem Wirbel um verspätet gemeldete Nebeneinkünfte, frisiertem Lebenslauf und Plagiate in ihrem Buch für Irritationen, weil sie bei einem Auftritt mangelnde Ortskenntnis unter Beweis stellte. Was wirkt wie eine Kleinigkeit, wiegt schwerer, weil der Lapsus in Brandenburg passiert ist, wo Baerbock ihre Wahlheimat und somit ihren Wahlkreis hat. Auch ist der Vorfall Kritikern erneuerter Beweis, dass die Spitzenkandidatin nicht einmal Routine-Wahlkampfauftritte unfallfrei absolviert. Wie solle man ihr dann das Kanzleramt anvertrauen können?
Zu Baerbocks Glück stehen die Wähler dem konservativen Kanzlerkandidaten Armin Laschet noch skeptischer gegenüber. Könnten die Deutschen ihren Regierungschef direkt wählen, käme Laschet nur auf 17 Prozent, ergab eine Umfrage für den "Spiegel". Baerbock liegt bei 21 Prozent, hinter SPD-Mann Olaf Scholz (25 Prozent). Wie schwer den Deutschen die Wahlentscheidung fällt, zeigt sich daran, wer in der Kanzlerfrage klar führt: "Weiß nicht" beziehungsweise "keiner der Genannten".