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Ein ziemlich frivoles Päckchen

Von Christian Ortner

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Christian Ortner.

Das wirklich Ärgerliche sind nicht die Auswirkungen des Belastungspaketes, sondern die schon jetzt bestehenden Lasten für den Mittelstand.


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Mit seiner Diagnose, wonach im Zuge des 27-Milliarden-Euro-Belastungspaketes "die Betroffenheit bei der Mittelschicht sehr gering" sei, hat Finanzstaatssekretär Andreas Schieder subtiles Sprachgefühl bewiesen. Denn "betroffen" im Sinne von betrübt scheinen die meisten Angehörigen dieser sozialen Schicht derzeit allem empirischen Anschein nach wirklich nicht in besonderem Ausmaß zu sein; betroffen im Sinne von involviert werden sie hingegen durchaus bald sein. Sei es, weil sie tendenziell später in Pension gehen werden müssen (was ja an sich vernünftig ist), weil sie als höhere Beamte einen (zumutbaren) Beitrag werden leisten müssen, weil sie beim späteren Verkauf einer Vorsorgewohnung 25 Prozent Steuer zahlen werden müssen, oder weil die Immobilieneigentümer die Kosten dieser Abgabe natürlich auf die Mieter abwälzen werden. Ein Belastungspaket, bei dem nicht am Ende der Mittelstand einen erheblichen Beitrag leistet, kommt in der Natur bekanntlich eher selten vor.

Nun sind das zwar ärgerliche Belastungen, aber Belastungen, die niemanden aus der sozialen Mittelschicht schnurstracks ins Armenhaus bringen werden.

Das wirkliche Ärgernis jedoch wird in diesem Zusammenhang weitgehend verdrängt: dass der Mittelstand schon jetzt absurd hoch besteuert wird, auch ganz ohne die Folgen des Belastungspaketes. Denn wer heute etwa 3000 Euro brutto verdient - zugegebenermaßen gut, aber noch nicht wirklich in Oligarchen-Dimensionen -, liefert schon jetzt insgesamt zwei Drittel des erwirtschafteten Einkommens an den Staat ab und darf grade noch ein Drittel als Taschengeld behalten (wer es nicht glaubt: 3000 Euro brutto heißt, dass einschließlich der Lohnnebenkosten vom Arbeitnehmer 4500 Euro erwirtschaftet werden; netto ausgezahlt werden da etwa 1900 Euro, die zum Großteil konsumiert werden, womit knapp 400 Euro Umsatzsteuer fällig werden - was einer Gesamtbelastung von etwa 65 Prozent entspricht; Benzinsteuern, Alkohol- und Tabaksteuern, KeSt und viele andere Abgaben noch gar nicht eingerechnet; das Beispiel ist natürlich stark vereinfacht, stimmt aber von den Relationen her durchaus).

In einem Staat aber, der seinen etwas besser verdienenden Bürgern zwei Drittel des von ihnen erarbeiteten Wohlstandes abnimmt und ihnen bloß ein Drittel gnadenhalber als Taschengeld lässt, wird jede - aber auch wirklich jede - Debatte über neue oder höhere Steuern zu einer atemberaubenden Frivolität. Als Regierungsmitglied angesichts einer derartigen Abgabenlast von einer "geringen Betroffenheit" der Steuerzahler zu sprechen, ist vielleicht nicht gerade der Gipfel politischer Klugheit.

Dass sich die meisten Angehörigen des Mittelstandes über diese Form der Teilenteignung nicht wesentlich stärker empören, dürfte vor allem an der geschickten Form der Verschleierung liegen, hinter der sich diese Abgabenquote verbirgt. Den Allermeisten ist schlicht und ergreifend nicht bewusst, wie viel sie eigentlich an den Staat zahlen.

Denn sonst wäre es mit der "geringen Betroffenheit" der Betroffenen aller Wahrscheinlichkeit nach ziemlich schnell vorbei.

ortner@wienerzeitung.at