)
Innenministerin Mikl-Leitner will Grenzkonzept kommende Woche vorlegen. EU-Kommission unterstützt Österreich finanziell.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Spielfeld. Obwohl es angekündigt war, hat die Innenministerin ihr Konzept zu einem Zaun an der slowenisch-österreichischen Grenze dann doch nicht präsentiert. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos am Freitag am Grenzübergang Spielfeld meinte Johanna Mikl-Leitner, sie werde das Konzept kommende Woche mit dem Koalitionspartner besprechen. Falls die Innenministerin tatsächlich einen Zaun bauen will, ist wohl nicht mit der Zustimmung der SPÖ zu rechnen.
Deren Klubobmann Andreas Schieder hatte am Freitag Vormittag die Innenministerin scharf kritisiert. Es sei für ihn unverständlich, wieso Mikl-Leitner bei der Bewältigung der Situation an der Grenze in Spielfeld nicht schon längst auf Erfahrungen wie beispielsweise bei großen Fußballspielen zurückgegriffen habe. Wiens Bürgermeister Michael Häupl möchte die Innenministerin gar durch Flüchtlingskoordinator Christian Konrad ersetzt sehen.
"Man sollte inhaltliche Differenzen nicht durch persönliche Attacken austragen", konterte Mikl-Leitner, und betonte abermals die Notwendigkeit eines "kontrollieren Zutritts." "Wir brauchen wieder Ordnung, so kann es nicht weitergehen." Avramopoulos lobte indes die "starke und freundliche Kooperation" Österreichs mit Slowenien. Wien habe "sehr verantwortungsbewusst und sehr europäisch" auf den Flüchtlingsstrom reagiert. Die Zaundebatte wollte er nicht näher kommentieren.
EU-Finanzhilfen für Österreich
Klar sei aber, dass die EU-Kommission Österreich in dieser Notsituation unterstützen werde. Gemeint sind EU-Mittel zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms, um die Österreich angesucht hat und die es nun scheinbar auch erhalten soll. Wie viel Geld fließen wird, wollte der Kommissar nicht verraten. Angeblich hat Österreich um 300 Millionen Euro angesucht - eine große Summe, wenn man bedenkt, dass Slowenien lediglich zehn Millionen zugesprochen wurden.
Freiwillige Helfer werfen der Innenminsterin unterdessen vor, die Unterstützung, die das Rote Kreuz einem Verein "The Welcoming Organisation" (TWO) anfangs zugesprochen hatte, zu blockieren. TWO kam vor zehn Tagen mit einem kleinen Zelt und vier Hockerkochern, seither verkochen sie rund eine Tonne Lebensmittel am Tag. "Das Rote Kreuz hat ein Zelt, Gas und Lebensmittel zur Verfügung gestellt", sagt Stefan Schartlmüller, der seit zehn Tagen im Transitlager aushilft.
Als er vergangene Woche anreiste, hielten sich rund 10.000 Flüchtlinge im Lager auf. Ende der Woche habe das Innenministerium das Rote Kreuz angewiesen, die Freiwilligen nicht mehr mit Lebensmitteln und Gas zu unterstützen. "Sie sagen, es sei keine warme Küche vorgesehen, weil die Menschen nur wenige Stunden bleiben. Ich kann aber bestätigen, dass die Leute teilweise 20 Stunden und länger hier sind." Schartlmüller hat beobachtet, wie Tausende, darunter auch Menschen mit Kindern, in Aludecken gehüllt die Nacht im Freien verbracht haben. Viele seien krank. "Spätestens seit Mitte der Vorwoche ist klar, dass die Menschen warmes Essen brauchen", so Schartlmüller. David Kreisl von TWO hofft auf eine Annäherung mit dem Innenministerium. "Wir haben hier Strukturen aufgebaut und dann werden wir plötzlich nicht mehr unterstützt", sagt er. Im Chaos sei schwer zu sagen, wer dafür verantwortlich sei.
Streit um Verantwortung
Das Rote Kreuz spricht zwar von einem guten Einvernehmen, die Vorwürfe der Freiwilligen streitet es jedoch ab. Es habe von Anfang an keine Unterstützung für den Verein TWO gegeben, sagt Raphael Beck vom Roten Kreuz: "Wenn ich als Verein Suppe kochen will, kann ich nicht von einem anderen Verein verlangen, die Verantwortung zu übernehmen." Zudem seien lange Aufenthalte die absolute Ausnahme, es handle sich meist nur um wenige Stunden. Beck weist darauf hin, dass das Innenministerium die Einsatzführung leite: "Wenn der Verein warmes Essen ausgeben will, dann muss das an das Ministerium weiterverrechnet und genehmigt werden." Beck rät der TWO, mit der Einsatzleitung der Polizei und mit dem Ministerium zu sprechen. Dass nun vielleicht doch eine Feldküche zur Verfügung gestellt wird, will er nicht ausschließen. Darauf hoffen die Freiwilligen.
"Wir fordern vom Bundesheer ein Zelt und eine Feldküche", sagt Schartlmüller, "jetzt scheinen sie langsam zu begreifen, dass eine Küche durchaus Sinn macht." Die Küche lebt von Spenden, auch Lebensmittel werden vorbeigebracht - etwa 15 Tonnen waren es bisher. Alle hoffen, dass die Lage nicht eskaliert - in der Vorwoche sei es beinahe so weit gekommen. Das große Zelt, wo die Menschen Wärme finden, gibt es erst seit einigen Tagen. Lediglich das gute Wetter habe das Schlimmste verhindert, ist Schartlmüller überzeugt. "Die hygienischen Zustände waren hart an der Grenze, die Toiletten waren nicht benutzbar, der Boden mit Müll übersät, die nassen Decken lagen im Gatsch, den die Menschen von draußen aufs Gelände brachten."
Viele fragen sich, wieso die Versorgung in Nickelsdorf so viel besser funktioniert hat als hier in Spielfeld. "Der Flaschenhals, also die Engstelle im Eingangsbereich, wäre sicher anders organisierbar", sagt Schartlmüller. Dort seien die Leute im Gedränge während der Vorwoche im Minutentakt kollabiert. Wichtig sei auch, die Menschen zu beruhigen und sie über die Vorgänge zu informieren, anstatt sie lediglich zu überwachen. Tatsächlich ist die Polizei, die hier mit rund 200 Beamten im Einsatz ist, mit der Situation überfordert. Die Polizeigewerkschaft spricht von "emotionaler Belastung", man sei "unermesslichem menschlichem Leid ausgesetzt". Die Zusammenarbeit mit Heer und Polizei sei gut, sagt Schartlmüller, auch, wenn unregistrierte Helfer häufig nicht durchgelassen werden. "In meinen Augen gilt der Dank den Freiwilligen", sagt Kreisl von TWO. "Ohne ihre Unterstützung können wir nichts tun. Es ist ein zivilgesellschaftlicher Kraftakt."