Bildungsforscher Hopmann warnt: Sparmaßnahmen bei Bildung sind nur der Anfang.
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Wien. 0,725 Prozent. Das ist die Größenordnung, die das Unterrichtsministerium heuer einsparen muss. Ein 0,725-Prozent-Nachlass oder auch -Aufschlag wird von Konsumenten in der Regel gar nicht wahrgenommen - außer bei Spar- oder Kreditzinsen. In der Schule hingegen sorgen die 57 Millionen Euro, die Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek heuer einsparen muss, für erhebliche Aufregung. 57 Millionen bei einem Budget von 8 Milliarden Euro. Im kommenden Jahr müssen dann 60 Millionen Euro eingespart werden. Die Unterrichtsministerin hat bereits klargemacht, wo sie das Geld nicht einsparen will: in den Volksschulen, bei Pflichtschülern und beim Ausbau der Ganztagsschulen.
Gespart wird erst nach der Pflichtschule
Gespart wird erst ab der 9. Schulstufe - also nach der Pflichtschule. In den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) und in den Oberstufengymnasien werden Klassen ab 31 Schülern in Deutsch, Mathematik und Englisch ab dem kommenden Schuljahr nicht mehr getrennt. Die eigentliche Klassengröße ist von der Maßnahme nicht betroffen. Die Klassengrößen bleiben bei 25 (plus 20 Prozent) in der Unterstufe beziehungsweise NMS und 30 (plus 20 Prozent) in der Oberstufe. Die Klassen werden in kleinere Gruppen erst dann aufgeteilt, wenn eine höhere Schülerzahl als bisher erreicht wird.
An den AHS werden Klassen im Informatik-Unterricht künftig nicht mehr ab 13 Kindern geteilt, sondern erst ab 25. Begründet wird die Maßnahme im Ministerium damit, dass diese Teilungsregel noch aus einer Zeit stammt, als in den Informatik-Räumen weniger Computer zur Verfügung standen. Im Fach Bildnerische Erziehung entfällt die Klassenteilung überhaupt. Auch die Neuen Mittelschulen (NMS) bleiben nicht ungeschoren: Dort stehen in Deutsch, Mathematik und Englisch künftig statt in zwölf nur mehr in zehn Wochenstunden zwei Lehrer in der Klasse.
2008 wurde die Klassenschülerhöchstzahl durch eine Novelle in der AHS-Unterstufe auf 25 gesenkt. Diese Höchstgrenze kann um 20 Prozent - also auf 30 Kinder - überschritten werden. In der AHS-Oberstufe und den BMHS gilt weiterhin 30 plus 20 Prozent, also 36.
Die Maßnahme spart also bei Lehrern ein: Es gibt insgesamt weniger Aufteilungen, also weniger Gruppen und damit weniger benötigte Lehrerstunden.
"Skandalös und fahrlässig" findet man das bei der als Gegenpol zum Bildungsvolksbegehren eingerichteten Bildungsplattform "Leistung und Vielfalt". "Eine Bankrotterklärung der österreichischen Bildungspolitik", befinden die Lehrer in der Gewerkschaft der öffentlich Bediensteten.
Auf Facebook hat sich bereits eine Gruppe "Elternaufstand" gebildet.
Qualität des Unterrichtsmuss nicht leiden
Weniger dramatisch beurteilt das die Bildungsfoscherin und Schulentwicklerin Christa Koenne im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Durch diese Einsparung müsse die Qualität des Unterrichts keineswegs leiden. Und die große Bedeutung der Klassenschülerhöchstzahl von 25 - ab der das Lernen dann erheblich schwieriger wird -, komme aus einer Zeit des durchgängigen Frontalunterrichts. Tatsächlich müsste man viel weiter gehen und die Lerngruppengröße von der Methode abhängig machen. Wenn sich also jede fünfte Klasse einer AHS einen bestimmten Film ansehe, könnte dies auch gemeinsam geschehen, nicht klassenweise.
Die Debatte darüber sollte dann wieder in kleineren Gruppen erfolgen. "Ein Jahr, ein Lehrer, ein Fach, eine Klasse - das ist eine völlig überholte Struktur. Das ist obsolet", sagt Koenne.
Auch der Bildungswissenschafter Stefan Hopmann empfindet die nunmehrigen Einsparungen noch nicht als dramatisch. Wenn man aber betrachte, dass mehr als 90 Prozent des 8-Milliarden-Budgets im Unterrichtsministerium Personalausgaben sind, dann machten die 57 Millionen Euro gleich wieder einen relativ größeren Teil des disponiblen Budgets aus. Deshalb werde auch bei den Personalkosten gespart. Allerdings warnt Hopmann: "Alle Beteiligten wissen, dass das nur der Einstieg ist und demnächst höhere Millionenbeträge eingespart werden müssen."
Fehler im System: Nur teure Lehrer in der Schule
Der Erziehungswissenschafter befindet, dass bei den Dienstrechtsverhandlungen ein schwerer Fehler begangen worden sei. Denn die österreichischen Bildungsausgaben sind im internationalen Vergleich sehr hoch. Das liege an den extrem hohen Personalausgaben. In den skandinavischen Ländern ergänze man die teuren Lehrer durch weniger teure pädagogische und technische Hilfskräfte. 20 bis 30 Prozent des Personals machen diese Hilfskräfte laut Hopmann im skandinavischen Raum aus.
Dass das neue Lehrer-Dienstrecht keine Arbeits- und Beschäftigungsdifferenzierung vorsehe, sei ein schwerer Fehler. Denn das neue Dienstrecht ändere nichts am Strukturproblem, dass im österreichischen Schulbetrieb sämtliche Dienstleistungen durch teuer bezahlte Lehrer erbracht würden.
"Es fehlt an einer Dienstrechtsreform mit Arbeitsdifferenzierung, einer Schulorganisationsreform und einer Verwaltungsreform. Und es wird richtig teuer", prognostiziert Hopmann.