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Ein zweischneidiges Schwert aus Sicht des Datenschutzrechts

Von Miroslav Jakúbek und Stefan Panic

Recht
© Adobe/Science RF

Da eine Kopie der dezentralen Daten der Blockchain auf tausenden Rechnern gespeichert ist, ist eine Löschung unmöglich.


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Blockchain und Datenschutz stehen seit etwa zwei Jahren im Rampenlicht der Medien. Die Blockchain-Technologie hat dank ihrer ersten und bekanntesten Anwendung - der Kryptowährung Bitcoin - bereits im Jahr 2017 an Popularität gewonnen. Das Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union mit ihren hohen Strafen sorgte hingegen im Jahr 2018 für eine wesentliche Steigerung der medialen Aufmerksamkeit für Themen aus dem Bereich Datenschutz.

Trotz der allgemeinen Bekanntheit beider Themen wurde der Schnittpunkt zwischen diesen zwei Bereichen bisher nur wenig diskutiert. Auf den ersten Blick haben beide Bereiche nur sehr wenig gemeinsam. Folglich beschränkten sich die bisherigen Diskussionen großteils auf die Unmöglichkeit der Durchsetzung des Rechtes auf Vergessenwerden im Umfeld der Blockchain. Diese Einschränkung der Debatte scheint im Licht der Möglichkeiten der Blockchain-Technologie mehr als ungerechtfertigt.

Finanzielle Transaktion, um eine Nachricht zu übermitteln

Die dezentrale Natur der Blockchain-Technologie (am Anfang steht immer ein Netzwerk von Nutzern, die in irgendeiner Form Geschäfte abzuwickeln haben, Anm.) gewährt bereits heute selbst dem nicht IT-affinen Bürger präzedenzlose Macht. Diese große Macht kann jedoch auch von anderen Akteuren ausgenutzt werden, was für den Bürger große datenschutzrechtliche Probleme verursachen kann, vor allem im Fall eines Missbrauches. Das Potenzial der Blockchain-Technologie lässt sich sehr gut an Beispielen aus China veranschaulichen.

Im Vergleich zur EU ist die Freiheit der Meinungsäußerung und der Presse in China wesentlich begrenzter. Der chinesischen Regierung ist es in vergangenen Jahren gelungen, auch das Internet effektiv zu kontrollieren, was den Zugang zu unabhängigen Informationen und nicht staatlichen Informationsquellen wesentlich erschwert. Mit Blockchain-Anwendungen könnte sich das jedoch massiv ändern. Sowohl die Ethereum-Blockchain als auch jene der Kryptowährung Bitcoin lassen zu, dass einer Transaktion noch eine öffentlich einsehbare Anmerkung hinzugefügt wird. In der Praxis bedeutet das, dass die finanzielle Transaktion kein Hauptanliegen mehr ist, sondern dafür verwendet wird, um eine wichtige Nachricht an die Welt zu übermitteln.

Tatsächlich wurde die Ethereum-Blockchain in China bereits zweimal genutzt, um die Zensur zu umgehen. Im ersten Fall wurde ein Beitrag, der die Korruption in der Pharmaindustrie beleuchtete, auf der Ethereum-Blockchain veröffentlicht. Im zweiten Fall hat eine chinesische Studentin einen offenen Brief veröffentlicht, in dem das Thema der sexuellen Belästigung an einer chinesischen Universität angesprochen wurde. Anschließend wurden an die Ethereum-Adresse mehrere Minimalbeträge geschickt, in deren Anmerkungen Menschen aus ganzer Welt ihre Unterstützung geäußert haben.

Die chinesische Software, die diese Beiträge aus den chinesischen sozialen Medien löschte, greift bei der Blockchain-Technologie dank ihrer dezentralen Natur ins Leere. Da eine Kopie der Blockchain auf tausenden Rechnern gespeichert ist, ist es unmöglich, eine Löschung durchzuführen.

Diese zwei aus unserer Sicht positiven Anwendungsfälle der Blockchain-Technologie deuten aber indirekt die potenzielle Gefährlichkeit dieser Technologie an. Genauso wie Facebook vermehrt als Mittel des hybriden Informationskrieges eingesetzt wird, kann man solche Anmerkungen nutzen, um unwahre oder sensible Daten zu verbreiten. Eine unlöschbare und öffentlich einsehbare Anmerkung, in der genetische Daten, Gesundheitsdaten oder Details zum Sexualleben eines Menschen veröffentlicht werden, könnte weitreichende negative Konsequenzen haben.

Das Potenzial der Blockchain-Technologie hört jedoch bei solchem Missbrauch nicht auf. Die chinesische Regierung hat bereits vor acht Jahren begonnen, ein System des sogenannten "sozialen Kredits" zu implementieren, in dem alle Bürger bewertet werden sollten. Dieses System setzt Millionen von Überwachungskameras, die mit künstlicher Intelligenz verbunden sind, voraus.

Die künstliche Intelligenz soll das Verhalten der Bürger auswerten und für das seitens der Regierung erwünschte Verhalten Pluspunkte verleihen und umgekehrt für unerwünschtes Verhalten Punkte abziehen. Eine niedrige Anzahl von Punkten ist mit ernsten Konsequenzen verbunden - man kann zum Beispiel kein Grundstück kaufen oder seine Kinder nicht in eine Privatschule schicken. Wie bedrohend diese Perfektion der Orwell’schen Vision der Welt noch klingen mag, kann sie durch die Blockchain noch verschlimmert werden, indem ein zentral gesteuertes Beurteilungssystem durch ein dezentrales System, in dem die Bürger sich sogar selbst gegenseitig beurteilen, ersetzt wird.

Regierungen testen,privater Sektor mischt mit

Obwohl die Österreicher durch die Europäische Menschenrechtskonvention, die österreichische Verfassung und teilweise sogar die DSGVO vor solchen Systemen geschützt werden, sind die potenziellen Auswirkungen der Blockchain-Technologie in Bezug auf Datenverarbeitung selbst in Europa nicht zu unterschätzen. Derzeit prüfen beziehungsweise sogar testen viele Regierungen die Anwendbarkeit der Blockchain für ein universelles Zahlungssystem oder für die Verwahrung gerichtlicher Akten. Der private Sektor versucht hingegen, Lösungen für Smart Contracts auf der Blockchain anzubieten, wo potenziell auch viele personenbezogenen Daten verarbeitet werden können.

Der technologische Fortschritt ist zwar jedenfalls zu begrüßen, der Datenschutz sollte dabei aber nicht außer Acht gelassen werden. Jeder Mensch sollte genau überlegen, ob und wem er bei solchen innovativen Lösungen seine Daten anvertraut. Sonst könnte man ungewollt in einer Welt aufwachen, wo anhand persönlicher Daten automatisiert über das persönliche Schicksal entschieden wird und die Privatsphäre nur zu einem Relikt der Vergangenheit geworden ist.