Österreichische Truppen am Balkan statt im Kongo. | Keine Probleme durch die Neutralität. | Wiener Zeitung:Die engere Zusammenarbeit ist seit langem Thema der EU-Verteidigungsminister. Geht abgesehen von schönen Worten aber auch etwas weiter?
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Günther Platter: Ein wesentlicher Schritt betrifft das Headline-Goal 2010. Wir haben alle Verteidigungsminister angeschrieben, bis 31. März einen Fragenkatalog zur Streitkräfteentwicklung zu beantworten. Unter finnischer Präsidentschaft wird dann der Streitkräftekatalog erstellt.
Wie soll dieser Streitkräftekatalog aussehen?
Die Staaten melden ein, mit wie vielen Soldaten, mit welchem Gerät und mit welchen Fähigkeiten man Einsätze bewältigen kann. Das ist dann der Personal- und Geräte-Pool, und wenn entsprechende Missionen anstehen, kann man diese daraus zusammenstellen. Voraussetzung bleibt natürlich, dass im gegebenen Fall national entschieden wird.
Diese Headline-Goals mussten schon einmal eingemeldet werden. Was ist neu?
Es geht um schnellere Beschlussfassung und Verlegbarkeit, um Interoperabilität und Durchhaltefähigkeit. Der maximale Bedarf an Streitkräften wäre bis zu 100.000 Soldatinnen und Soldaten.
Apropos schnellere Beschlussfassungen: Über einen Einsatz im Kongo wird auch schon länger diskutiert, bisher ohne Ergebnis…
Der Kongo-Einsatz wird durchaus unterschiedlich gesehen von den einzelnen EU-Staaten. Aber ich gehe davon aus, dass die Entscheidungen in den nächsten Tagen oder während des Verteidigungsminister-Treffens fallen werden. Es geht noch um die Frage der führenden Nation.
Was wird Österreich für die Headline-Goals anmelden?
Wir werden hier genau so vorgehen wie von der Bundesheer-Reformkommission empfohlen. Wir haben gesagt: 1500 Soldaten ständig und zusätzlich bis zu einer Rahmenbrigade. Das bedeutet zusätzlich mehr als 2000 Soldaten für einen Zeitraum von einem Jahr in einer Rotation von drei oder vier Jahren.
Stichwort Kongo: Bleibt es bei der Entsendung von Stabsoffizieren? Oder könnte der Druck auf das EU-Vorsitzland Österreich so groß werden, dass eine Truppe geschickt werden muss?
Dabei bleibt's. Wir sind bereit, Stabsoffiziere zu entsenden. Mit den Truppen bewegen wir uns aber vor allem im Raum Bosnien-Herzegowina und Kosovo. Ich erwarte, dass in der nächsten Zeit die eine oder andere größere Nation, unter Umständen sogar Amerika, eine Reduktion durchführt. Dann wird die Frage an die Europäische Union sehr deutlich kommen. Ich kann mir vorstellen, dass Österreich im Kosovo mehr Verantwortung übernimmt. Wir streben an, dass wir mittelfristig durchaus eine Brigade übernehmen können und dass wir - soweit nötig - auch die Truppen aufstocken.
Bei den Naturkatastrophen des vergangenen Jahres - Tsunami, Katrina, Pakistan - war die Hilfe der EU zu wenig koordiniert. Wie will man künftig besser gerüstet sein?
Im EU-Militärstab ist eine zivil-militärische Zelle mit 17 Personen eingerichtet worden, die auf 80 Personen anwachsen kann. Wenn ein Krisenereignis stattfindet, wird diese Zelle tätig. Es werden so rasch wie möglich Experten entsendet, die sofort ein Feedback geben, was wir brauchen. Die Zelle leitet dann mit dem EU-Militärstab die Gesamtorganisation ein und nimmt mit den EU-Staaten Kontakt auf. Sinn ist, dass eine Ansprechstelle in der EU gegeben ist und dass eine betroffene Regierung nur eine Stelle als Ansprechpartner hat und nicht verschiedene Nationen.
Ist Österreich als neutrales Land in der Zusammenarbeit mit den EU-Verteidigungsministern mit Schwierigkeiten konfrontiert?
Wir sind ein absolut vollwertiges Mitglied der Europäischen Union und das auch in Verteidigungsfragen. Österreich wird sehr geschätzt als aktiver Partner bei verschiedenen Friedensmissionen. Die Neutralität wird informell immer wieder angesprochen. Aber sobald man die Gesetzeslage erklärt, ist klar, dass bei der Sicherheits- und Verteidigungspolitik kein Problem gegeben ist.
Günther Platter (51) ist seit 2003 Verteidigungsminister. Zuvor war der Buchdrucker und Gendarm Bürgermeister von Zams, NR-Abgeordneter und Tiroler Landesrat.