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Die Geschichte könnte einem Roman des 19. Jahrhunderts entstammen: Eine französische Gräfin verliebt sich in einen italienischen Diplomaten, ihr Mann, von Beruf General, möchte wenigstens die Form wahren, wenn er schon das Herz seiner Frau verloren hat. Er zwingt sie, das ehebrecherische Verhältnis zu beenden, gewinnt aber ihre Liebe dadurch nicht zurück. Da er intelligent ist, begreift er auch dies, und fordert seinen Konkurrenten zum Duell. Während der General den Diplomaten erschießt, stirbt auch seine Gattin, und zwar an gebrochenem Herzen.
Nun kennt man die Geschichte nicht aus einem Buch, sondern aus dem Film "Madame de . . .", mit dem Max Ophüls 1953 der "Belle Époque" eines der spätesten - und eines der schönsten Denkmäler gesetzt hat. Am vergangenen Sonntag war der Film in "arte" wieder einmal zu sehen und er verfehlte seine Wirkung nicht: Ophüls war ein Meister delikater Übergänge, unwägbarer Zwischentöne und mehrdeutiger Schattierungen. Dass der italienische Botschafter "die große Liebe" der Gräfin ist, zeigt sich in einem einzigen langsamen wortlosen Walzer, wie sehr der Ehemann unter der Situation leidet, ist lediglich an minimalen mimischen Zeichen zu erkennen. Eine derart subtile Regie kann nur mit Hilfe sehr guter Schauspieler zustande kommen. In "Madame de . . ." fehlen sie nicht: Charles Boyer ist die Idealbesetzung für den eisernen Ehemann, Vittorio de Sica für den romantisch-edlen Kavalier. Und Danielle Darrieux flattert reizvoll und nervös zwischen den beiden Herren hin und her wie ein zartes Vögelchen.