Gelbwesten, Corona, Ukraine: Die Präsidentschaft Macrons war von Krisen geprägt. Trotzdem gab es auch Reformen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Eines war Emmanuel Macron von Anfang an klar: Dass diese fünf Jahre im Amt keine einfachen werden würden. Und das sagte er auch genau so bei seiner Ansprache am Abend des 7. Mai 2017 vor dem Louvre, nachdem der 39-Jährige zum bisher jüngsten Präsidenten Frankreichs gewählt worden war. Gleichzeitig versprach er aber auch: "Ich werde die Menschen zusammenführen und versöhnen, denn ich will die Einheit unseres Volks und unseres Landes."
Hätte er sich die Herausforderungen vorstellen können, denen er in der Folge gegenüberstehen sollte? Heftige Proteste der "Gelbwesten" und monatelange Streiks gegen seine Reformpläne, die Corona-Pandemie und zuletzt noch der Krieg in der Ukraine - Macrons Amtszeit war von Erschütterungen geprägt.
Daneben ging fast unter, dass er sein Hauptversprechen eingehalten hat. Musste sein Vorgänger Francois Hollande auf eine zweite Kandidatur verzichten, weil er anders als angekündigt die Arbeitslosigkeit nicht senken konnte, so ist Macron dies gelungen: Mit 7,3 Prozent hat sie den tiefsten Stand seit 15 Jahren erreicht. Seine Reformen brachten den Arbeitsmarkt wieder in Schwung und machten das Land deutlich attraktiver für Investoren. Mehr als 700.000 Ausbildungsplätze entstanden - eine kleine Revolution in Frankreich, wo die Berufsausbildung einen schlechten Stand hat.
Gemeinsame EU-Schuldenals großer Erfolg
Insgesamt verbesserte sich die wirtschaftliche Lage trotz des zeitweisen Einbruchs durch die Pandemie. Deren Folgen federte die Regierung ab, indem sie ein großzügiges Kurzarbeitergeld auflegte und mehrere milliardenschwere Hilfspakete für besonders betroffene Branchen, aber auch bedürftige Familien und Künstler schnürte. Vom Ziel, die Staatsschulden deutlich zu senken, ging Macron ab. Zuletzt lagen das Defizit bei 6,5 Prozent und die öffentlichen Schulden bei 113 Prozent der Wirtschaftsleistung. Im Fall seiner Wiederwahl will er den Haushalt sanieren und die Neuverschuldung bis 2027 unter drei Prozent drücken.
Dass die EU auf eine deutsch-französische Initiative hin für die Finanzierung des Aufbaufonds erstmals gemeinsame Schulden aufnahm, gilt als Macrons größter außenpolitische Erfolg. Bis dahin war er mit seinen Visionen eines Umbaus der Eurozone und der Forderung nach einer gemeinsamen Verteidigung auf wenig Enthusiasmus der Partner gestoßen. Trotzdem bewerten seine Landsleute seinen unermüdlichen Aktivismus, um Frankreichs diplomatisches Gewicht zu stärken, überwiegend positiv. Mit Beginn des Ukraine-Kriegs stiegen die Umfragewerte Macrons, der derzeit auch die turnusmäßig wechselnde EU-Ratspräsidentschaft innehat.
Seinen Ruf, ein Präsident der Reichen zu sein, wurde Emmanuel Macron hingegen nicht los. Zu seinen ersten Handlungen gehörte die Abschaffung der Vermögenssteuer außer auf Immobilienbesitz, gleichzeitig wurden die Wohnbeihilfen für die Ärmsten um monatlich fünf Euro gekürzt. Macron befreite zwar 80 Prozent der Bürger von der Wohnsteuer und strich die Abgaben auf Überstunden. Doch solche Maßnahmen zur Stärkung der Kaufkraft der Mittelschicht machten den Image-Schaden nicht wieder gut.
Volksparteien sind geschwächt, die Rechtsextremen gestärkt
Misslungen ist auch sein Projekt einer Pensionsreform. Der Versuch, die 42 Rentensysteme in ein einheitliches Punkte-System zu überführen und die Lebensarbeitszeit zu verlängern, provozierte heftigen Widerstand der Gewerkschaften und erboster Demonstranten. Nach monatelangen Kundgebungen, bei denen die Demonstranten den Verkehr in Paris regelmäßig lahmlegten, stand die Reform vor dem Durchbruch. Dann begann die Pandemie, Macron legte das Gesetz auf Eis. Nun hat er angekündigt, das Pensionsantrittsalter von 62 auf 65 Jahre zu erhöhen.
Gescheitert ist er mit seinem Versprechen, die Menschen zu einen und mit der Politik zu versöhnen. Schnell war Macron ähnlich verhasst wie seine Vorgänger. Er degradierte die Nationalversammlung, in der seine Partei eine Mehrheit hat, zu einer Art Abnick-Verein, brachte Vorhaben teils ohne lange Debatten mit Dekreten durch. Das französische System sieht ohnehin eine große Machtkonzentration vor - Macron hat das noch verstärkt mit seiner Tendenz, Entscheidungen alleine oder im engsten Kreis zu treffen.
So richteten sich die teils gewaltsamen Proteste der Gelbwesten nicht nur gegen höhere Steuern auf Kraftstoff, sondern auch gegen den Eindruck sozialer Ungerechtigkeit und Macron persönlich als Vertreter einer abgehobenen Elite - so leutselig er im direkten Umgang auch ist. Achtlos geäußerte Kommentare verstärkten dieses Bild. Viele Bürger empörten Aussagen wie jene, in Bahnhöfe treffe man "Menschen, die Erfolg haben und Menschen, die nichts sind". Und hat er zwar die traditionellen Volksparteien dauerhaft geschwächt, indem er deren Personal und viele Positionen übernahm, so sind die Extremisten so erfolgreich wie nie. Diese Spaltung vertieft zu haben gehört jetzt schon zu seinem Erbe.