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Eine Anomalie in der US-Regierung

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Was Verteidigungsminister Bob Gates einzigartig macht, ist die Tatsache, dass er immer noch unter Hochdruck arbeitet - und das sollte er auch nach der Wahl dürfen.


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US-Verteidigungsminister Robert Gates erklärte jüngst, wie man die Sicherheitsstruktur der USA erneuern könnte, damit sie den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entspricht. Der nächste Präsident sollte ihn engagieren, um zu reparieren, was er ganz richtig als ziemlich kaputt beschrieben hat.

Gates ist eine Anomalie in der Lame-Duck-Regierung. Er arbeitet noch immer mit Volldampf, um den Schaden zu beheben, den sein arroganter und distanzierter Vorgänger Donald Rumsfeld angerichtet hat. Gates stellte beim Militär wieder Verantwortlichkeiten her. Und er ist einer der überzeugendsten Kritiker einer US-Militäraktion gegen den Iran.

Erstaunlich für einen Verteidigungsminister ist, dass Gates sich auch gegen eine "schleichende Militarisierung" der Außenpolitik ausgesprochen hat. Und er tritt für mehr Mittel für das Außenministerium und andere Behörden ein, da diese schon viel zu lang chronisch unterbesetzt und unterversorgt seien. Eine Sensation: Sich für andere vorzuwagen, das ist in Washington nahezu beispiellos. Das ist einer der Gründe, warum Gates immer beliebter wird - bei den Demokraten genauso wie bei den Republikanern.

Es ist zwar etwas zu früh für Spekulationen über das neue Kabinett, aber ich hätte dazu einen Vorschlag: Wenn Gates nicht Verteidigungsminister bleibt, könnte er doch eine Kommission zur Prüfung und Überarbeitung der Grundlagen des "National Security Act" von 1947 leiten. Aus seiner Zeit bei CIA und nationalem Sicherheitsrat kennt er jeden einzelnen Teil des Puzzles.

Eine solche Gates-Kommission hätte zwei Hauptaufgaben zu bewältigen. Erstens müsste sie den Aufbau des National Security Council (NSC) überarbeiten, damit man dort nicht nur auf überkommene Probleme des Kalten Krieges antworten kann, sondern auch auf heutige Soft-Power-Herausforderungen. Insbesondere sollten Geld und Fachwissen, die jetzt zwischen die Spalten der einzelnen Behörden fallen, gebündelt und gezielt eingesetzt werden.

"Langfristig betrachtet, können wir allein durch Töten und Erobern nicht immer einen Sieg erzwingen", warnte Gates kürzlich: Was im Pentagon "kinetische Vorgangsweise" heißt, sollte, so Gates, in Zukunft entwicklungsfördernden Wirtschaftsprogrammen und Maßnahmen zur Mitbestimmung untergeordnet werden. Vorrang sollten auch Bemühungen haben, auf Missstände und Groll einzugehen, die oft den Kern von Aufständen bilden. Gates hat vollkommen recht, was das Ungleichgewicht zwischen ziviler und militärischer Macht betrifft.

Die zweite Aufgabe würde darin bestehen, die unausgegorene Geheimdienstreform zu überarbeiten. Das Gesetz aus dem Jahr 2004 hat eine neue Behörde geschaffen - das "Office of the Director of National Intelligence" (DNI) -, die sich mit den Fehlern des Geheimdienstes, die zu den Anschlägen von 11. September 2001 führten, auseinandersetzen sollte. Heraus kam jedoch nur noch mehr Bürokratie. Gates, der weiß, was hier falsch läuft, hat Schluss damit gemacht, weil der Aufbau zu schwerfällig ist. Die von ihm zusammengeschusterte Interimslösung hat aber ebenfalls ein Ablaufdatum, da sie zu sehr von einzelnen Personen abhängt (Mike McConnell vom DNI, CIA-Chef Mike Hayden, Pentagon-Geheimdienstchef James Clapper).

Was das Land braucht, ist ein schlanker, energischer Geheimdienst. Und niemand kann das besser bewerkstelligen als Gates, der auch den Geheimdienstmorast von allen Seiten kennt.