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Die Medizin hat die Immunschwächekrankheit Aids von einem tödlichen Schicksal in eine chronische Krankheit umgewandelt. Heute gibt es rund 25 Arzneimittel - diese Woche kommt in den USA sogar eines auf den Markt, das im Unterschied zu anderen nur ein Mal am Tag eingenommen werden muss. Demgegenüber stehen Engpässe in der ärztlichen Versorgung. Heimische HIV-Spezialisten haben im Durchschnitt maximal zehn Minuten Zeit pro Patient und Besuch. Das ist wenig für eine komplexe, lebenslange Erkrankung. Die Ärzteschaft behilft sich daher mit Technik. Mit einer elektronischen Applikation (App) für Handys, Ipads oder PCs können Patienten künftig über ihren Krankheitsverlauf Buch führen. Sie können die Wirksamkeit ihrer Therapie stündlich überprüfen oder sich selbst bestätigen, dass sie ihre Medikamente geschluckt haben. Wodurch sie seltener zur Kontrolle beim Arzt erscheinen müssten.
Freilich preisen die Proponenten der neuen App, wie die HIV-Ambulanzen oder die Aids-Hilfe Österreich, diese als Unterstützung für Patienten an. Als solche mag sie ja durchaus von manchen empfunden werden, denn wer geht schon gerne regelmäßig zum Arzt?
Dennoch bietet die Technik nur eine "Betreuung" ohne Betreuung: Wer sich selbst kontrolliert, tut das bekanntlich alleine, ohne Ansprache und ohne zwischenmenschlichen Austausch. Und wenn man bedenkt, dass bereits an Robotern gearbeitet wird, die in der Lage sind, pflegebedürftige Pensionisten zu füttern, macht der Blick in die Zukunft der Gesundheitsversorgung, die aus Geldmangel offenbar immer weniger Menschen beschäftigt, durchaus Angst.