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Wolfgang Schüssel versprach der ÖVP das Kanzleramt, er eroberte und verlor es schließlich wieder. Das ist, in Kürzestform, die Bilanz seiner politischen Karriere, die sich beim Parteitag der ÖVP am Samstag einen weiteren Schritt dem Ende zu bewegen wird. Zwischen diesen Stationen lagen fast zwölf Jahre, in denen sich Land wie Volkspartei grundlegend veränderten - in welche Richtung, das ist bis heute Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen.
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Als Kanzler von Schwarz-Blau mutete er dem bis dahin gemächlich verwalteten Land einen reformerischen Parforce-Ritt zu - allerdings mit dem Endeffekt, dass "Reform" für viele zum abschreckenden Begriff wurde.
Die Wirtschaft war dankbar, dass lange liegengelassene heiße Eisen - Budgetsanierung, Pensionsreform, Privatisierungen, Unireform und viele andere - angegangen wurden. Viele Wähler fühlten sich jedoch an die Wand gedrängt, zumal schale PR-Botschaften an die Stelle mühsamer Überzeugungsarbeit traten. Vor allem Schüssel selbst konzentrierte sich aufs Reformieren und vergaß darob aufs Kommunizieren. Sein Verhältnis zu den Medien, die ihn bevorzugt als kühlen Taktiker mit wenig Herzlichkeit beschreiben, bleibt wohl bis zuletzt gespannt.
Loyalität war Schüssel wichtiger als Zuneigung. Er führte die Partei, an deren Spitze er seit 1995 - und damit am längsten unter allen ÖVP-Chefs steht -, mit eiserner Disziplin. Er beendete die unendliche Geschichte der Obmanndebatten und Ränkespiele, die seinen Vorgängern das Leben schwer gemacht hatten. Die Partei der Landeskaiser und Bündefürsten kannte fortan nur noch einen Herrscher.
Die Ruhe, die in der ÖVP einkehrte, war aber doch manchen zu viel des Guten. Im Rückblick ist heute von diskursiver Grabesstille die Rede - kein Kompliment für eine Volkspartei.
In seiner Antrittsrede versprach Schüssel den Parteitagsdelegierten die Rückkehr der ÖVP ins lang ersehnte Kanzleramt. Die Funktionäre waren begeistert, auch wenn die Beobachter ob dieses überschießenden Ehrgeizes spotteten.
Dass Schüssel die Wahlniederlagen 1995 und 1999 - beim ersten Mal brach er erfolglos Neuwahlen vom Zaun, beim zweiten Mal fiel die ÖVP hinter die FPÖ zurück - politisch überlebt hat, grenzt eigentlich an ein Wunder. Hier zeigen sich die positiven Seiten von Schüssels Führungsstil: In vertraulichen Gesprächen im kleinsten Kreis versammelte er in Krisen seine Granden - und rang ihnen so Loyalität ab.
Zum strahlenden Held brachte es der Ex-Kanzler nur für kurze Zeit: Die Wochen nach seinem Wahltriumph 2002, der der ÖVP erstmals seit 1966 Platz eins brachte. Als er kurz darauf erneut die FPÖ als Partner wählte, begann der Ruhm schon wieder zu verblassen.
Klubchef bleibt Schüssel wohl noch bis auf weiteres - ob er auf diesem Posten aber bis zum Ende der Legislaturperiode 2010 durchhält, ist eine andere Frage.
Es mehren sich die Stimmen, die hinter vorgehaltener Hand seinen vollen Abgang wünschen. Offen fordert das aber keiner.