Das Symbol der Entkolonialisierung, Pemex, wird liberalisiert.
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Mexiko-Stadt. Enrique Peña Nieto meint es ernst. Der Präsident Mexikos hat zu Wochenanfang seinen Plan vorgelegt, den mexikanischen Energiemarkt zu liberalisieren. Das bedeutet, dass sich künftig auch private Unternehmen an der Erdölförderung und Stromerzeugung beteiligen können. Das staatliche Erdölunternehmen Pemex - Petróleos Mexicanos - soll entsprechende Verträge mit Privatfirmen schließen dürfen, Gewinne und Risiken werden geteilt. Der Staat bleibe allerdings alleiniger Eigner der Rohstoffreserven des Landes, sagte Peña Nieto.
Pemex ist das zweitgrößte Unternehmen Lateinamerikas, Haupteinnahmequelle des Staates (ein Drittel des Staatsbudgets stammt aus den Erlösen des Konzerns) und eine heilige Kuh in Mexiko.
Die Verstaatlichung des Unternehmens war 1938 ein Symbol der Entkolonialisierung. Erdöl-Konzerne, die sich um die Jahrhundertwende in Mexiko niedergelassen hatten, wurden enteignet und hinausgeworfen. Die gemeinwirtschaftliche Ausrichtung von Pemex wurde sogar in der Verfassung verankert.
Auf zukunftsträchtige Investitionen wurde jedoch weitgehend verzichtet, was zu Folge hatte, dass die Ölförderung von täglich 3,4 Millionen Fässern im Jahr 2004 auf zuletzt 2,5 Millionen Fässern sank. Denn die konventionellen Förderquellen versiegen langsam in Mexiko.
Mexiko verfügt zwar über geschätzte Reserven von 115 Milliarden Fässern und hat damit denselben Ölreichtum wie etwa Kuwait. Doch es fehlt am Equipment, um an die tiefer gelegenen Ölvorräte heranzukommen. Offshore könnten zusätzlich geschätzte 27 Milliarden Fässer Rohöl gefördert werden.
Da der Erdölsektor für private Unternehmen bislang tabu war, fehlten im Land die Fabriken zur weiteren Verarbeitung. Der billige Rohstoff verließ Mexiko, um dann als verarbeitetes Produkt teuer importiert zu werden. Begehrlich sah man zum Teil nach Brasilien, wo das größte Unternehmen Lateinamerika sitzt: Petrobras. Ein ebenfalls staatliches Unternehmen, das aber private Beteiligung zumindest zulässt.
Bisher waren jegliche Privatisierungsvorschläge verhindert worden, aus Angst vor der ausufernden Korruption. Was freilich weniger ein Problem des Energiesektors denn der mexikanischen Wirtschaft allgemein ist.
Ein Hoppala-Präsident hält sein Wahlkampfversprechen
Die Liberalisierung des Erdölmarkts war eines der Wahlversprechen des seit Dezember 2012 amtierenden Peña Nietos. Der 47-jährige Politiker der sozialistischen "Partei der Institutionalisierten Revolution" wurde lange belächelt. Im Wahlkampf hat er sehr von der Popularität seiner Frau, einer Telenovela-Darstellerin profitiert. Seit er auf die Frage, welche drei Bücher ihn beeinflusst haben, keine Antwort wusste, steht er bei den Intellektuellen auf der Schaufel.
Es existiert eine eigens ihm gewidmete Internet-Seite, die die Tage seit dem letzten Hoppala des zählt. Er stolpert, er verspricht sich, sein Englisch ist im Vergleich zu den vergangenen Präsidenten, die alle in den USA studiert haben, deutlich schlechter.
Doch seine politische Praxis überrascht auch die Kritiker. Die Liberalisierung des Energiemarkts sei die größte Errungenschaft seit dem Beitritt Mexikos zur Nafta, der Nordamerikanischen Freihandelszone, zu vergleichen, lobt etwa die "Financial Times".
Der Energiemarkt ist nicht der erste Koloss, den der Präsident in Angriff genommen hat. Im Frühling erklärte Peña Nieto etwa sogar Carlos Slim, dem zweitreichsten Mann der Welt, den Krieg. Peña Nieto brachte einen Gesetzesvorschlag ein, dem zufolge Monopole, auch am Telekommunikationsmarkt, zerschlagen werden sollen. Was das im Detail für Slims Unternehmen America Movil bedeutet, ist noch nicht geklärt. Aber America Movil (in Österreich zweitgrößter Aktionär bei der Telekom Austria) verfügt in Mexiko über einen Marktanteil von 70 Prozent bei den Mobiltelefonen und 80 Prozent beim Festnetz. Laut OECD hat Mexiko die höchsten Preise für Endkunden im Telekommunikationssektor - aufgrund des nicht vorhandenen Wettbewerbs.