Vor einem Jahr formulierte US-Präsident Barack Obama in Prag seine Vision von einer Welt ohne Atomwaffen. Am Donnerstag unterzeichneten er und Russlands Präsident Dmitri Medwedew in dieser Stadt den Nachfolge-Vertrag zum weiteren Abbau der strategischen Nuklearwaffen.
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Obama sprach euphorisch von einem "historischen" Tag. Nüchterner betrachtet ist es die konsequente Fortsetzung eines als richtig erkannten Wegs der beiden nuklearen Großmächte. Das ist in der Politik längst nicht selbstverständlich, und deshalb dürfen sich die beiden Präsidenten ruhig selbst ein wenig auf die Schulter klopfen.
Darob sollte man jedoch nicht aus den Augen verlieren, dass die nuklearen Arsenale der etablierten Nuklearmächte längst nicht mehr die größte Gefahr für Frieden und Sicherheit darstellen. Deren Einsatz verbietet bereits der eigene Überlebenstrieb - ihr einziger rationaler Daseinszweck ist ihr Nichteinsatz. Dieses Prinzip hat Obama Anfang der Woche auch zur Leitidee der neuen Nuklearstrategie der USA erhoben, von der nur Nordkorea und der Iran ausgenommen sind.
Terroristen dagegen leben und sterben nach einer anderen Vernunft. Ihnen gilt es, jeglichen Zugang zu Atomwaffen zu verwehren. Doch das ist leichter gesagt als getan. Irgendwo findet sich immer irgendwer, der bereit ist, für viel Geld nukleares Wissen zu verkaufen.
Nur Träumer aber sehen die Lösung in einer gänzlich Atomwaffen-freien Welt. Die Zerstörungskraft konventioneller Waffen ist längst auf Augenhöhe mit den verfemten Nuklearwaffen, die Welt würde um nichts sicherer.
Womöglich würde dann jedoch das Tabu fallen, durch den Schrecken der völligen Auslöschung wurde der Einsatz dieser Waffen zur absoluten Undenkbarkeit. Dieses Bild ist seit den Tagen des Kalten Krieges auch in den Köpfen aller fest verankert und prägt bis heute das strategische Denken von Politikern und Militärs. In einer Welt ohne Atomwaffen könnten militärische Auseinandersetzungen zwischen Großmächten dagegen wieder denkbar werden. Und damit in der Realität möglich.
Zugegeben ein zynisches Gedankenspiel, aber es entspricht der menschlichen Natur.