Die ÖVP überlegt, ihr konservatives Familienbild aufzuweichen. Bringt das aber auch mehr Stimmen? | Kaum eine politische Frage hat für die ÖVP eine solche Sprengkraft, wie das Thema Familie. Die hier von Umweltminister Josef Pröll, dem Leiter der ÖVP-Perspektivengruppe, angepeilte Öffnung gerät so zu einer äußerst heiklen innerparteilichen Gratwanderung.
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Heftig umstritten ist - vor allem von wertkonservativer Seite - nicht zuletzt die Frage, ob eine Abkehr vom traditionellen Familienbild - verheiratete Eltern mit Kind(ern) - der ÖVP mehr Stimmen bringt als sie kostet. Immerhin steht hinter jeder rationalen Neupositionierung das Ziel, Wählerstimmen zu maximieren.
Allerdings: "Empirische Studien dazu existieren nicht, das hat sich noch nie jemand genau angeschaut", erklärt der Meinungsforscher Peter Ulram von GfK. Er muss es wissen, forscht er doch seit Jahren für die Volkspartei im Grundlagenbereich.
Die Notwendigkeit eines liberaleren schwarzen Familienbildes liegt für Ulram dennoch auf der Hand: "Tatsache ist, dass das traditionelle Familie immer weniger mit der Realität übereinstimmt: Jede dritte Ehe wird geschieden, im städtischen Bereich ist es bereits jede zweite - und das betrifft auch ÖVP-Wähler."
Hinzu komme, dass die katholische Kirche ständig schrumpfe. Dies führe indirekt zu einer Stärkung der radikalen Ränder, die sich besonders lautstark für ihr Weltbild einsetzen. Dass die ÖVP hier Stimmen verlieren könnte - etwa an die FPÖ, wo sich der konservativ-katholische Ewald Stadler um dieses Wählersegment kümmern will - glaubt der Politologe jedoch nicht.
Umfragen zeigen, so Ulram, dass eine Mehrheit will, dass die traditionelle Familie gelebt werden kann - nur soll das eben nicht verbindlich sein. Gerade viele Frauen wollen sich diese Option offen halten. "Die Mehrheit der Bürger gehört eben noch immer nicht zur Gruppe der akademisch gebildeten Städter", erklärt Ulram diese nach wie vor weit verbreitete Sehnsucht nach stabilen familiären Strukturen.
Stimmen verlieren würde die Volkspartei allenfalls dann, wenn sie sich in der Frage der Gleichstellung homosexueller Partnerschaften auf einen Wettbewerb mit den Grünen einlassen würde. Eine klare Mehrheit der Bürger, vor allem der ÖVP-Wähler, lehne einen solchen Schritt ab.
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"Der Feind in meinem Bett": Unter diesem Motto diskutierten die Partei-Manager Josef "Napalm-Wahlkämpfer" Kalina (SPÖ) und Hannes "Sozialisten-Fresser" Missethon am Mittwochabend im ORF-Radiokulturhaus. Selbst SPÖ-Klubchef Josef Cap wollte sich das nicht entgehen lassen.
Der Titel versprach allerdings mehr, als der eher müde Schlagabtausch halten konnte. Was wenig verwundert: Immerhin wollen sich SPÖ und ÖVP jetzt zunächst einmal in die gemeinsame Arbeit stürzen. Skeptiker der großen Koalition konnten dennoch beruhigt nach Hause gehen. Unübersehbar ist: Die beiden Großparteien sind sich in herzlicher Antipathie verbunden, die von ganz oben bis nach ganz weit unten reicht. Sobald sich andere Konstellationen ergeben, ist Rot-Schwarz wieder Geschichte. Die Kleinen im Parlament wird's freuen.