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Eine bahnbrechende Bibelübersetzung

Von Franz Graf-Stuhlhofer

Gastkommentare
Franz Graf-Stuhlhofer ist Lehrbeauftragter an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems (www.graf-stuhlhofer.at).
© privat

Martin Luthers "September-Testament" prägte vor 500 Jahren auch die deutsche Sprachentwicklung.


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Am 21. September 1522, also vor genau 500 Jahren, erschien anonym "Das Newe Testament Deůtzsch", eine deutsche Übersetzung des Neuen Testaments, auch "September-Testament" genannt. Der Übersetzer war Martin Luther. Sein besonderes Anliegen war die Verständlichkeit der Übersetzung, und dieses Ziel hatte er offenbar erreicht, denn seine Übersetzung wurde ein Bestseller. Bis 1534 war dann auch das Alte Testament übersetzt, und die ganze Bibel konnte auf Deutsch verbreitet werden.

Diese Luther-Bibel hatte starken Einfluss auf die Herausbildung des Frühneuhochdeutschen - zuerst im protestantischen Norden Deutschlands, später im ganzen deutschen Sprachraum. Eine Neuerung Luthers war die häufige Verwendung der Großschreibung innerhalb des Satzes, vor allem bei Hauptwörtern. Die Luther-Bibel profitierte ebenso wie andere Schriften Luthers von der Entwicklung des Buchdrucks, wodurch eine rasche Verbreitung möglich wurde, trotz kirchlicher Gegenmaßnahmen.

Eine verständliche Bibelübersetzung zur Verfügung zu haben, war ein starker Anreiz, um lesen zu lernen. Im Protestantismus sollten möglichst viele lesen können. Diese besondere Motivation fehlte in katholischen Ländern - in Österreich etwa kam es erst 1774 unter Maria Theresia zur allgemeinen Unterrichtspflicht. Die stärkere Alphabetisierung der Evangelischen könnte dazu beigetragen haben, dass es unter innovativen Naturwissenschaftern relativ zur Bevölkerungsgröße mehr Evangelische als Katholiken gab.

Luther übersetzte erstmals das Neue Testament direkt aus dem Griechischen, wobei ihn die vertraute lateinische "Vulgata" und eine lateinische Übersetzung des Erasmus von Rotterdam aus dem Griechischen beeinflussten. Anschließend ging er sein Manuskript mit dem Griechisch-Kenner Philipp Melanchthon durch, wobei sie punktuell weitere Fachleute, zum Beispiel für antike Münzen, zur Beratung heranzogen. Luthers besondere Begabung betraf vor allem die deutsche Zielsprache, nicht so sehr die griechische Ausgangssprache.

Als Beginn der Reformation wird das Jahr 1517 angegeben. Damals wurden Luthers 95 Thesen gegen den Ablasshandel bekannt. In den Jahren darauf gab es Verhöre und Disputationen, 1520 erschienen drei "Reformatorische Hauptschriften" Luthers. Erst danach, also mehrere Jahre nach 1517, kam es zu konkreten Umsetzungen reformatorischer Anliegen: Priester heirateten, Nonnen und Mönche verließen ihre Klöster. Luthers deutsche Übersetzung des Neuen Testaments war ebenfalls eine konkrete Umsetzung der Reformation, denn nun erhielten viele Menschen einen eigenen Eindruck von diesem Grundlagenwerk der Kirche. Nun entstanden auch andere, von Luthers Reformation teilweise abweichende Ansätze, etwa die Schweizer Reformation oder die Täuferbewegung.

Das "September-Testament" ist heute onlinisiert: im ursprünglichen Schriftbild in der Wolfenbütteler Digitalen Bibliothek (http://diglib.hab.de/drucke/bibel-s-4f-257/start.htm) und in heutiger Schrift - aber ebenfalls buchstabengetreu - in Wikisource (https://de.wikisource.org/wiki/Das_Newe_Testament_Deutzsch).