Flöttl hat "Kapital nicht missbräuchlich verwendet." | Sachverständiger Kleiner sieht grobe Verletzungen des Bankwesengesetzes. | Wien. Nachdem sich Wolfgang Flöttl tags zuvor selbst belastet hatte, indem er einen Beitrag zur Untreue im Zusammenhang mit einem 90-Millionen-Dollar-Kredit aus dem Jahr 1998 gestanden hatte, kam für den glücklosen Investor am Mittwoch das große Aufatmen. Da nämlich präsentierte der Grazer Sachverständige Fritz Kleiner sein Gutachten zu den Sondergeschäften der Bawag mit Flöttl - und entlastete den Investmentbanker massiv.
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Laut Kleiner hat Flöttl demnach das eingesetzte Kapital nicht missbräuchlich verwendet und die Transaktionen korrekt abgerechnet. Allerdings wirft der Gutachter dem Investmentbanker vor, "stur" auf eine sehr riskante Strategie (steigender Dollar, fallender Yen) gesetzt zu haben. Außerdem sei es für Kleiner "nicht vorstellbar, dass Flöttl den Überblick über die eingesetzten Finanzinstrumente und die eingegangenen Risiken aufrecht erhalten konnte."
Flöttl hatte jede Freiheit
Doch das riskante Vorgehen Flöttls sei durch die Verträge gedeckt gewesen: "Die Verträge der Bawag mit Flöttl überließen Flöttl jede Freiheit." So konnte der Sohn des früheren Bawag-Generaldirektors Walter Flöttl seine hochriskanten Geschäfte fortführen. Für Kleiner war diese Situation "kasino-artig". "Eine Bank hat aber im Kasino nichts verloren", so der Gutachter weiter. Tatsächlich verlor die Bank bei Flöttls Vabanquespiel erheblich. In Summe 1,451 Milliarden Euro, rechnete Kleiner vor.
Wie das Geld genau verloren ging - etwa die ersten Verluste von 700 Millionen Dollar (639 Millionen davon von der Bawag) innerhalb von nur 10 Tagen -, darüber konnte Kleiner nur mutmaßen, da laut Flöttl die diesbezüglichen Unterlagen in seiner Firma einem Computerabsturz zum Opfer gefallen waren. Kleiner geht davon aus, dass die Totalverluste auf Leverage (Fremdkapital als Hebel in der Hoffnung auf erhöhte Gewinne) zurückzuführen sind. Bei Flöttl sei (abgesehen vom sturen Beharren auf einen fallenden Yen) keine einheitliche Veranlagungsstrategie erkennbar, allerdings seien ihm auch keine Limits gesetzt worden, so Kleiner.
Zahlreiche Verstöße
Diese Limits hätte dem Investmentbanker wohl der Bawag-Vorstand setzen müssen. An diesem ließ der Gutachter in seinem Bericht dann auch kaum ein gutes Haar. Für Kleiner steht fest, dass nach dem Bankwesengesetz (BWG) keine österreichische Bank solche Geschäfte hätte durchführen dürfen, da dabei gegen das Equivalenzprinzip (Gleichheit von Leistung und Gegenleistung) verstoßen wurde. Den Firmen im Umfeld von Flöttl seien Kredite gewährt worden, ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen. Damit habe der Vorstand gegen Paragraph 39 BWG verstoßen (Sorgfaltspflicht der Geschäftsleiter eines Kreditinstituts).
Auch hätte es angesichts dessen, dass sämtliche Investitionen "wirtschaftlich engstens verbunden" waren und schlussendlich allesamt in Flöttls Firma Ross Capital Markets zusammenliefen, der Zustimmung des Aufsichtsrats bedurft. Diese wurde jedoch nicht eingeholt mit der Begründung, dass es sich um von einander unabhängige Gesellschaften handelte. Darin sieht Kleiner einen Verstoß gegen Paragraph 27 BWG.
Und auch noch eine dritte Verletzung des Bankwesengesetzes sieht der Gutachter: Die Innenrevision der Bawag prüfte die Flöttl-Geschäfte bis 1998 und wies in dieser Zeit schon auf die Risiken und eingesetzte Hebel hin. Noch bevor im Oktober 1998 die ersten Verluste eintraten, wurde die Kontrolle durch die interne Revision abgedreht - ein klarer Verstoß gegen Paragraph 42 BWG.
"Stimmt alles gar nicht"
Die angeklagten Bawag-Vorstände reagierten äußerst gereizt auf den Vortrag Kleiners. "Frechheit" und "stimmt ja alles gar nicht" war während einer Prozesspause zu hören. Man kann also gespannt sein auf die Gegenangriffe ihrer Anwälte, wenn Kleiners Gutachten in zehn Tagen erneut erörtert wird.
Am kommenden Montag steht die Causa Gerharter auf dem Programm. Ex-Bawag-Boss Helmut Elsner soll dem Ex-Konsum-Chef Hermann Gerharter einen Kredit über 550.000 genehmigt und dann abgeschrieben haben. Während Gerharter geständig ist, streitet Elsner alle Vorwürfe ab.
An der zivilrechtlichen Front im Bawag-Skandal kämpft der ÖGB weiter um Schadenersatz von den früheren Bawag-Vorständen. Nachdem im Sommer eine erste Klage vom Wiener Handelsgericht als "nicht nachvollziehbar" abgewiesen wurde, hat sich am Donnerstag das Oberlandesgericht der Sache angenommen. Das Urteil ergeht frühestens Ende Februar.