Der ÖVP ist es gelungen, dass Justizpolitik in den Modus von Schwarz/Weiß zurückfällt.
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Die Krise ist zur Mutter aller Dinge geworden - im Vergleich zu Heraklits Krieg als Vater ist das ein wesentlicher Fortschritt; und dies gilt für die großen Zusammenhänge der Pandemie wie auch für die eher kleingeistige heimische Politik. Aus dem Nichts - oder richtiger: aus der Not der ÖVP - steht die Justiz einigermaßen unvorbereitet und quasi über Nacht vor dem größten Umbau seit der Reform der Strafprozessordnung, nur dass an deren Vorbereitung und Umsetzung jahrelang gearbeitet wurde.
Eine vergleichbare und umfassende Debatte ist in der aktuellen Situation unmöglich. Das ist zuallererst die Verantwortung der ÖVP. Deren Angriffe auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) untergraben eine politische Debatte in der Sache. Wer sich jetzt zu den beabsichtigten Veränderungen in der Justizpolitik zu Wort meldet, wird ausschließlich daran gemessen, ob es für oder gegen die ÖVP, für oder gegen die WKStA geht. Jene Stimmen, die nicht in dieses plumpe und dem Thema völlig unangemessene Schwarz-Weiß-Denken hineingezogen werden wollen, bleiben stumm. Das kommt, man muss es so hart sagen, einer Bankrotterklärung der Republik gleich.
Hinzu kommt, dass sich die ÖVP von einem - gerade in der Justizpolitik - hohen Gut verabschiedet hat: nämlich der Berechenbarkeit in der inhaltlichen Positionierung. Man musste die Position der Volkspartei beim Bundesstaatsanwalt (dagegen) oder bei der "dissenting opinion" beim Verfassungsgerichtshof (detto) nicht teilen, aber ernst zu nehmen waren sie, weil es eben auch für diese Haltung fundierte Argumente gibt.
Über Nacht und aus parteipolitischem Kalkül hat sich der Standpunkt um 180 Grad gedreht. Natürlich bestimmt der Standort in der Politik oft genug den Standpunkt (der Nationalrat bot am Mittwoch bei der Debatte um den Mercosur-Handelspakt ein anschauliches Beispiel für die inhaltliche Flexibilität der Parteien). Der Politik muss nur klar sein, dass sie mit dieser Art ihre eigene Glaubwürdigkeit mehr unterläuft, als es jede noch so harte Kritik des politischen Gegners kann.
Interne Kontrolle der Justiz, Schutz von Beschuldigtenrechten oder Transparenz der Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs: Das alles sind Themen von eminenter Bedeutung. Keines davon wird jedoch mit der notwendigen, skrupulösen Tiefe und Breite diskutiert, wie es eigentlich geboten wäre. Stattdessen werden Entscheidungen in einer aufgeheizten politischen Stimmung vorangetrieben. Manchen Einzelinteressen mag das nützen - dem größeren Ganzen nützt es jedoch mit Sicherheit nicht.