)
Dass Kapitalisten und Großindustrielle kaltherzige Egoisten seien, die nur Gewinnmaximierung im Kopf haben, ist ein Gerücht, das auch Gegenbeispiele negiert.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Vom lichtdurchfluteten Wintergarten des "Krone" hat man einen wunderbaren Blick auf das Albecker Schloss, genauer gesagt: auf den mächtigen, weiß strahlenden, zinnenbewehrten Rundturm, der von der Burg "an der östlichen Alb-Ecke" übrig geblieben ist.
Wir befinden uns in der dörflichen Idylle eines schwäbischen Weilers nahe Ulm. Der gepflegte Gasthof gehörte einst einer Familie Bosch, deren Oberhaupt, Servatius Bosch, zur bäuerlichen Oberschicht zählte und Mitglied einer Freimaurerloge war.
Dem bevölkerungspolitisch hoch aktiven Gastwirt schenkte seine Frau zwölf Kinder, deren elftes auf den Namen Robert getauft wurde und sich später zu einem der größten "Global Players" aus Deutschland entfalten sollte. Auch wenn wenige Menschen mit dem Leben des Robert Bosch vertraut sind, so hatten doch fast alle schon einmal Berührung mit einem Produkt seines Hauses, seien es Zündkerzen, Küchenmaschinen, Kühlschränke oder Akkuschrauber.
"Mein Vater fragte mich einmal, ob ich nicht Feinmechaniker werden wollte, und ich sagte ja", wird Robert Bosch, 1861er-Jahrgang, zitiert. Noch nicht 15 Jahre alt, beginnt er mit der Mechanikerlehre, in der er mit der noch jungen Elektrotechnik in Berührung kommt, geht nach dem Militärdienst "auf die Walz" in Deutschland, in die USA (bei Edison) und in Großbritannien (bei Siemens Brothers) und eröffnet am 15. November 1886 mit einem Mitarbeiter und einem Lehrling eine "Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik" - in Stuttgart, weil seine Braut dort in der Nähe wohnt.
Den Umsatz sichern zunächst Installations-, Wartungs- und Reparaturarbeiten elektrotechnischer Geräte. Die Elektrifizierung Stuttgarts im Zeitalter der Industrialisierung kommt dem jungen Betrieb entgegen. Bis 1900 steigt die Mitarbeiterzahl auf fast 40 an. Aber es war ein anderes Produkt, mit dem der Wandel zum Industriekonzern begann: Bosch verbesserte den Magnetzündapparat der Firma Deutz derart, dass dieser erstmals in einen Kraftfahrzeugmotor eingebaut werden konnte.
Damit begann eine einmalige Erfolgsgeschichte: 1901 nahm Bosch seine erste Fabrik mit 45 Mitarbeitern in Betrieb, Niederlassungen in Großbritannien, Frankreich, Österreich und Ungarn folgten. 1913 war das Unternehmen auf allen Kontinenten präsent. Mit 300 Tochter- und Regionalgesellschaften in mehr als 50 Ländern erwirtschaften rund 271.000 Mitarbeiter einen Umsatz von mehr als 46 Milliarden Euro.
Doch der Philanthrop Bosch setzte auch soziale Maßstäbe: Für seine Mitarbeiter führte er als einer der Ersten den Achtstundentag ein, später den freien Samstagnachmittag sowie eine nach Betriebszugehörigkeit gestufte Urlaubsregelung, zahlte Weihnachtsgeld und gründete eine Betriebskrankenkasse. 1940 stiftete er sogar ein eigenes Krankenhaus.
1937 verfügte er in seinem Testament, dass die Erträge des Unternehmens gemeinnützigen Zwecken zugeführt werden sollen, woraus 1964 die "Robert Bosch Stiftung" hervorging. Sie will "das gesellschaftliche und soziale Engagement des Stifters Robert Bosch in zeitgemäßer Form" weiterführen, vor allem in der Bildung, der medizinischen Versorgung und Forschung, der Wohlfahrtspflege, der Völkerverständigung und der Kultur (etwa durch den mit 15.000 Euro dotierten Adelbert-von-Chamisso-Preis). Allein im Jahr 2007 wurden fast 60 Millionen, insgesamt seit Bestehen rund 840 Millionen Euro für gemeinnützige Projekte bereitgestellt.
Verhalten sich "Heuschrecken" wirklich so?
Alle Beiträge dieser Rubrik unter:
www.wienerzeitung.at/
kauffmannsladen
kauffmannsladen@wienerzeitung.at