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Alle betreten Neuland, und allen ist ein bisschen mulmig dabei. So stellt sich knapp einen Monat vor dem geplanten Start das Projekt "Gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben" dar. Geplant ist, dass ab Jahresbeginn 2003 die amtliche Kontrolle der Lohnverrechnung bei den Arbeitgebern nicht mehr von drei verschiedenen Behörden (Finanz, Krankenkassen, Gemeinden) abgewickelt wird, sondern nur mehr von einer einzigen gleichzeitig für die anderen.
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Die bisher getrennt marschierenden, fachlich heterogenen Prüfungskörper von Finanz und Sozialversicherung werden arbeitsmäßig zu einem zentralen Korps zusammengeschweißt. Ein Jahrhundertprojekt.
250 Prüfer und Prüferinnen der Finanz und fast ebenso viele der Gebietskrankenkassen werden ab Jahresbeginn im Einsatz sein, um die Lohnabgaben der Betriebe zu prüfen. Ausgerüstet mit Notebooks, auf denen (vorläufig noch) zwei Prüfungsprogramme gespeichert sind und ausgerüstet mit den im gegenseitigen Datenaustausch erfassten Dienstgeber/Dienstnehmer-Daten ziehen sie los, um in einem einzigen Durchlauf Lohnsteuer, Sozialbeiträge und Kommunalsteuerabrechnungen eines Betriebes auf rechtliche und rechnerische Richtigkeiten abzuklopfen.
In den letzten Monaten sind die beiden Prüfergruppen je-weils von der anderen Abgabenfakultät intensiv geschult worden. Ende dieses Monats wird die materiellrechtliche Schulung der künftigen "All-in-Inspektoren" abgeschlossen. Was folgt, ist die Softwareschulung und die Unterweisung in der Prüfungstechnik des jeweils anderen Metiers. Denn das Aufspüren von Unebenheiten bei der Lohnsteuer ist für Sozialversicherungsleute genau so neu und holprig wie das Durchforsten des verästelten Sozialversicherungsdickichts für die Finanzer.
Projektleiter Heinrich Treer vom Finanzministerium im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Die Prüfer müssen sich aneinander gewöhnen, ihre unterschiedliche Prüfungspraxis angleichen, Erfahrungen austauschen und eine einheitliche Prüfungstechnik erarbeiten. Das ist wohl am besten direkt vor Ort möglich." Kein leichter Auftrag an Teams, die bisher in nahezu eigenständigen "Republiken" eingegliedert waren.
"Learning by doing" ist also angesagt. Deshalb werden die Prüfer beider Ressorts in den ersten Monaten des neuen Jahres auch zu zweit anrücken: einer/eine von der Finanz mit einem/einer von der Gebietskrankenkasse. Erst später soll dann im Regelfall nur mehr ein einziger Prüfer für alle Arten der Lohnabgaben eines Betriebes zuständig sein.
1 Prüfer, aber 3 Behörden
Rein rechtlich bleibt die gemeinsame Prüfung ein Verfahren in drei gesonderten Prüffeldern, wobei die Prüfungsergebnisse an die drei jeweils beteiligten Behörden weitergeleitet werden: an das Finanzamt, an die Gebietskasse, an die Gemeinde. Bei diesen liegt dann auch die Weiterverfolgung etwaiger Kollisionsprobleme, die Betreibung von Mehrabgaben, die Abwicklung der bei ihnen einzubringenden Rechtsmittel. Die Prüfer sind sozusagen nur Sachverständige, denen die Erhebung der Sachverhalte obliegt. Gibt es Uneinigkeiten mit dem geprüften Arbeitgeber (egal ob rechtlicher, persönlicher oder organisatorischer Art), dann verlagert sich die Streiterei in die Arbeitszimmer der drei verschiedenen Abgabenbehörden.
Hierarisch aufgebaut ist auch die innere Organisation der unter dem Kürzel GPLA firmierenden "Gemeinsamen Prüfungsaktion Lohnabgaben". Ein strategischer Lenkungs-ausschuss (Kürzel "STRALAUS") agiert als höchstes Gremium, legt die Richtlinien für die neue Gemeinsamkeit auf Bundesebene fest und ist auch für die (vermutlich unvermeidlichen) Schlichtungsfälle zuständig. Dort sitzen die Vertreter der Bundesbehörden sowie jene von Gemeinde- und Städtebund und schauen sich das neue Prozedere sozusagen von oben her an.
Hierarisch darunter besteht für jedes Bundesland ein operativer Lenkungsausschuss (Firmenname "OPLAUS"), dem - pardon - tatsächlich die lausige Arbeit der Erstellung der Jahres-Prüfpläne, die Koordinierung der regionalen Arbeitsbereiche und die Qualitätssicherung der Prüfungsabläufe obliegt.
Prüfplan der Krankenkassen
Aus den Jahresprüfplänen, die auf dem "Prüfungssoll" der Gebietskrankenkassen basieren, werden dann die detaillierten Prüfungssolls der Prüferteams extrahiert. Ins Visier der Kontrollore kommen zunächst die aus Verjährungsgründen nötigen Anschlussprüfungen bei den Betrieben. Gemäß Vorgabe durch den OPLAUS sollen die ersten Teamprüfungen bei Arbeitgebern mit mindestens 100 Beschäftigten erfolgen; Betriebe darunter und sehr große Betriebe werden zunächst noch zurückgestellt.
Außerhalb des Soll-Prüfschemas besteht die Möglichkeit, dass von den Abgabeninstanzen auch Bedarfsprüfungen (also Sondereinschauen in bestimmte Unternehmungen) angefordert werden. Solche Schnellschüsse sind dann "mit höchster Priorität zu bearbeiten", heißt es in einem Arbeits-papier des Finanzministeriums.
In dem für 2003 vorgesehenen generellen Jahresprüfplan werden vor allem drei Ziele angepeilt: die Vertiefung der theoretischen Kenntnisse der Prüferteams im jeweils anderen Abgabenbereich, das gegenseitige Kennenlernen der Prüfungstechnik und eine Vorsorge gegen das allzuspürbare Absacken der sonst üblichen "Mehrergebnisse". Denn es ist klar, dass die Einführungszeit des GPLA einen vorübergehenden Minderbetrag an Abgabennachforderungen befürchten lässt.
Der OPLAUS äußert sich dazu pragmatisch: "Zur Vermeidung drastischer Einbrüche in den Mehrergebnissen liegt der Schwerpunkt der Prüfungsauswahl auf jenen Dienstgebern, die auffällig waren und von den Gebietskrankenkassen mit dem höchsten Prioritätsvermerk versehen wurden", heißt es unmissverständlich. Einige Betriebe wissen jetzt, was ihnen bevorsteht, und einige Prüfungsteams wissen, was man von ihnen erwartet.