Margit Kraker wurde von der ÖVP als Rechnungshofpräsidentin durchgeboxt, jetzt entscheidet sie deren Schicksal mit.
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Einer hat sich bei ihrer Kür besonders ins Fäustchen gelacht: Reinhold Lopatka hat als ÖVP-Klubobmann im Parlament im Juni 2016 seine steirische Landsfrau Margit Kraker überraschend als Kandidatin für das Amt der Rechnungshofchefin ins Spiel und trotz Protests des Koalitionspartners SPÖ ihre Wahl durchgebracht. Nun, sechs Jahre später, wird die ehemalige steirische Rechnungshofchefin und vormalige Büroleiterin von ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer mit ihren Zweifeln an der ÖVP-Bilanz 2019 und der erstmals verfügten Nachschau durch einen Wirtschaftsprüfer im Auftrag des Kontrollorgans zu einem möglichen Sargnagel für die Volkspartei mit Obmann und Bundeskanzler Karl Nehammer.
"Das hat es noch nie gegeben", bestätigte die Präsidentin des Rechnungshofes genau zur Halbzeit ihrer zwölfjährigen Amtsperiode am Samstag selbst als Gast im Ö1-"Mittagsjournal": Der Wirtschaftsprüfer wird ausgeschickt, weil das Parteiengesetz auf "Punkt und Beistrich" eingehalten werden müsse. Sie hofft, dass die ÖVP die von der Volkspartei versprochene Kooperation bei der Überprüfung des Rechenschaftsberichts im Nationalratswahljahr 2019 einhält und noch heuer ein Ergebnis vorgelegt werden kann. Der ÖVP-Generalsekretär hieß damals Karl Nehammer.
Kanzlerwechsel und Turbulenzen
Das hätte sich die ÖVP 2016 nicht in ihren schlimmsten Albträumen ausgemalt. Nach drei Kanzlern im Vorjahr, der Dauermisere aufgrund von Korruptionsvorwürfen und den Turbulenzen durch den Vorarlberger Wirtschaftsbund hängt die Zukunft des erst Mitte Mai mit 100 Prozent gewählten ÖVP-Bundesparteiobmanns Nehammer auch von der Einschau auf Anordnung einer früheren ÖVP-Mitarbeiterin ab. Die 1960 in Zeltweg geborene Kraker wurde 2016 gegen die SPÖ und deren ebenfalls untadeligen Sektionschef im Finanzministerium, Gerhard Steger, mit mehr oder minder sanfter Drohung, sonst mit FPÖ-Hilfe einen anderen Kandidaten zu küren, gewählt.
Dass es Kraker so genau nimmt, wie jetzt bei der ÖVP-Bilanz, kann allerdings niemanden überraschen.
Genau und fleißig", so beschreibt sie Werner Zögernitz im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Der ehemalige, langjährige ÖVP-Klubdirektor und jetzige Leiter des Instituts für Parlamentarismus, war ab 1985 mehr als ein Jahrzehnt lang mit der Juristin im ÖVP-Parlamentsklub tätig.
"Zu 100 Prozent gewissenhaft"
In den Vordergrund zu drängen ist nicht die Sache der Steirerin, aber ihre Hartnäckigkeit wird bisweilen unterschätzt. Sie sei "sehr zuvorkommend, sehr korrekt", lautet das Lob von Zögernitz. "Sie ist genau und lässt sich nicht beirren", meint auch der Noch-Landeshauptmann der Steiermark, Hermann Schützenhöfer, dessen Büroleiterin Margit Kraker zwischen 2000 und 2013 war.
"Sie ist gewissenhaft, das ist sie zu 100 Prozent", schwärmt auch Ex-Klubobmann Lopatka noch heute. Was ein Vorteil sei, sei auch, dass Kraker die Politik kenne. Manchen geht ihre penible Art sogar regelrecht auf die Nerven.
Nicht so hingegen Schützenhöfer, der kurz vor seiner Politpension gegenüber der "Kleinen Zeitung" betont, dass Widerspruch "nicht verteufelt werden" dürfe. Zudem brauche es im Rechnungshof weder eine Erfüllungsgehilfin, noch eine Scharfrichterin, sondern "eine objektive Präsidentin, die alle und alles auf Herz und Nieren prüft. Das ist Margit Kraker", so Schützenhöfer.
Was es heißt, politische Entscheidungen auch bei rauem Gegenwind zu treffen, hat Kraker in der Steiermark gelernt. Von 2000 bis 2013 war Kraker nämlich auch Mitglied der Steuerungsgruppe Verwaltungsreform in der Steiermark.
Was technokratisch-staubtrocken klingt, war nichts weniger als die heftig umstrittene Zusammenlegung von Bezirken und von Gemeinden. Diese wurde vom rot-schwarzen Regierungsduo mit SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves und seinem Stellvertreter Schützenhöfer durchgezogen, wofür es bei der Landtagswahl 2015 auch eine kräftige Abreibung gab. ÖVP und SPÖ regieren – jetzt noch bis Juli unter Schützenhöfer – aber nach wie vor in der Grazer Burg.
Eine Frau sollte es 2016 werden
Bei ihrer Kür 2016 war es definitiv auch ein Vorteil, dass sie eine Frau war. Bis dahin gab es nur Männer als Präsidenten des Rechnungshofes als oberstes Kontrollorgan auf Bundesebene, ihr Vorgänger hieß Josef Moser, der später Justizminister wurde. Die Genderfrage habe bei der Wahl jedenfalls eine Rolle gespielt, heißt es heute. Die FPÖ hatte deswegen ihrerseits mit Helga Berger, Topmitarbeiterin von Ex-Vizekanzlerin Susanne Riess, geliebäugelt.
In der Steiermark gab es als Dank für Kraker ab 2013 das Amt als Präsidentin des Landesrechnungshofes. Dieses wurde zum Sprungbrett für die Funktion auf Bundesebene, wo sie ihre Tätigkeit einige Jahre lang ohne besonders aufzufallen ausübte. Wirklich aufhorchen ließ Kraker dann im Herbst des Vorjahres, als die Rechnungshofchefin von sich aus einen Vorschlag für ein wirksameres Parteiengesetz als "Impuls für mehr Transparenz und Kontrolle" auf den Tisch gelegt hat, weil ÖVP und Grüne die Öffentlichkeit ständig vertröstet haben.
Vorgeprescht mit strengerem Parteiengesetz
Nun ortet Krakers Kontrollorgan grobe Ungereimtheiten im Rechenschaftsbericht der ÖVP im Wahljahr 2019, als es um den Machterhalt von Sebastian Kurz als Bundeskanzler ging. Dass die ÖVP dafür nur 5,6 Millionen Euro ausgegeben haben will, widerspreche der "politischen Lebenswirklichkeit".
So ändern sich die Zeiten: Nun ist es zuvorderst die SPÖ, die mit Krakers Hartnäckigkeit das Ende der türkis-grünen Bundesregierung näherrücken sieht.