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Eine Bilanz - oder warum man es nachher besser weiß

Von Bernhard Baumgartner

Analysen

Gastronomie, Fans und Sicherheit: Es ist soweit gut gegangen. | Am Anfang stand bekanntlich der Größenwahn. Jener Fanzonen-Wirte etwa, die in ihrem für die drei EM-Wochen gemieteten Stand endlich das richtige Freilos orteten, um sich zur Ruhe setzen zu können. Oder auch etwa jenes Beisl, das sich allen Ernstes zur "Vip-Zone" erklären wollte und an zehn Euro Eintritt zum Fußball-Schauen dachte.


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Am berühmten Tag danach wissen´s natürlich alle besser. Etwa, dass an den spielfreien Tagen nicht pünktlich um neun Uhr früh fünfzigtausend Kroaten in die Fanzone wankten, um jeder drei Liter Bier pro Stunde zu trinken. Und auch die Idee, für Fußball Eintritt zu verlangen, war endenwollend brillant.

Doch auch wenn die Gastronomie großteils zu den jammernden Nicht-Gewinnern dieser Euro zählt, bleibt angesichts der offiziellen Zahlen die Frage offen, was man erwartet hat: 2,4 Millionen Gäste wurden österreichweit gezählt, davon eine Million aus dem Ausland. Alleine die Fanzone in Berlin zur WM hatte neun Millionen Besucher. Hat man gar mit solchen Dimensionen gerechnet? Wohl eher nicht, denn hätte es diesen Ansturm auch auf Wien gegeben, man wäre heillos überrannt worden.

Als eine der größten Fehlentscheidungen wird in diesem Zusammenhang wohl die völlig verwaiste Reserve-Fanzone im Hanappi-Stadion in Erinnerung bleiben, die gerade einmal an vier Tagen offen hatte. Dafür waren dort etliche Millionen Euro Steuergeld investiert worden. Notwendiges Übel - weil man es einfach vorher nicht wusste - oder eine Subvention an Rapid, wie manche ätzen?

Apropos Jammern: Am Tag danach kamen fast im Minutentakt Meldungen über die Bilanz zur Euro herein. Die Liste jener Dinge, die im Vorfeld in unterschiedlichen Abstufungen von Hysterie kolportiert wurden - und nicht eingetroffen sind - ist lang. Das fängt an bei den vorhergesagten Schäden durch Wildpinkler und endet beim Sicherheits-Kollaps. Die Fakten: Es gab 1800 Anzeigen, 580 Festnahmen und gezählt fünf Fans, die in der Justizvollzugsanstalt landeten. Das ist für ein Welt-Ereignis wie dieses so wenig, dass sich Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) bei der Vorstellung seiner EM-Bilanz gezwungen sah, darauf hinzuweisen, dass sich bei dieser EM nicht (wie in Deutschland 2006) im Nachhinein herausstellen würde, dass es doch nicht so friedlich zugegangen war, wie ursprünglich kolportiert.

Dennoch kritisiert etwa der "Kurier", dass Meldungen über Ausschreitungen (die es gab - man denke etwa an den Flaschenhagel in Ottakring beim Spiel Kroatien-Türkei) immer wieder heruntergespielt wurden.

Ein echter Flop war hingegen die versuchte Sonntagsöffnung der Läden. Nur wenige Besucher verirrten sich Sonntags in die offenen Geschäfte. Ein Grund dafür könnte sein, dass seitens der Wirtschaft unverständlicherweise diese zusätzliche Öffnung kaum beworben wurde.

Dass die Teilsperre des Ringes nicht zu einem totalen Kollaps des Verkehrs geführt hat, ist einerseits der guten Kommunikation und andererseits der Disziplin und Flexibilität der Autofahrer zu verdanken. Daraus den Schluss zu ziehen, es geht, den Ring für immer zu sperren, wäre jedoch etwas gewagt.

analyse@wienerzeitung.at