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Eine Botschaft an die Nachbarn

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Hahn will als EU-Kommissar die Ukraine und andere Partnerländer rascher unterstützen können.


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Brüssel. Händeschütteln mit ÖVP-Abgeordneten, ein Lächeln in Richtung Kameras: Vor seiner Anhörung im EU-Parlament gab sich der österreichische Kommissarskandidat Johannes Hahn freundlich gelassen. Nicht zum ersten Mal war er für einen Spitzenposten in der Brüsseler Behörde nominiert, und auch die Befragung im Abgeordnetenhaus war kein Debüt für ihn. Neu ist allerdings das Ressort: War Hahn in der scheidenden Kommission für die Regionalpolitik zuständig, soll er sich in der künftigen um die Nachbarschaftspolitik und die Erweiterungsverhandlungen kümmern.

Diese Agenden sind in den vergangenen zwölf Monaten mehr als zuvor in den Fokus der EU gerückt. Eine nächste Erweiterungsrunde wird es in den kommenden fünf Jahren wohl nicht geben, doch die Nachbarschaftspolitik bekam mit der Krise rund um die Ukraine und den Entscheidungen, Länder wie Moldawien oder Georgien rascher als geplant stärker an die Gemeinschaft zu binden, eine neue Dimension. Hinzu kamen die Umbrüche in Tunesien und Marokko, die Konflikte in Syrien oder Libyen - das sind alles Staaten, die ebenfalls vom EU-Programm umfasst sind.

Ruf nach mehr Flexibilität bei Annäherungspolitik

Doch zeigten sich dabei auch die Grenzen und Beschränkungen der Annäherungsbemühungen der Europäer. Um Anpassungen in der Vorgehensweise wird daher Hahns Mannschaft kaum herumkommen. So erklärte denn auch der Österreicher: "Unsere Politik muss flexibler werden, damit wir in der Lage sind, schnell unseren Partnern zu helfen." Denn dabei gehe es nicht mehr nur um die Stärkung der demokratischen Strukturen dort, sondern "um unsere eigene Sicherheit", befand Hahn in Anspielung an Russlands Aggression. Der Kreml dürfe das Beharren der Europäer auf demokratische Standards nicht unterschätzen, sollte aber gleichzeitig verstehen, dass die Nachbarschaftspolitik nicht gegen Moskau gerichtet sei.

Wie viel Einfluss aber Hahn auf die Beziehungen mit der Ukraine und Russland haben wird, ist noch offen. Denn eng zusammenarbeiten müssen wird er mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, die gleichzeitig eine Stellvertreterin des künftigen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker ist. Eine Erklärung, wie die Aufgabenteilung sein soll, lieferte Hahn nicht.

Bei all den Herausforderungen scheint die Erweiterungspolitik in den Hintergrund zu rücken. Das hat nicht zuletzt technische Gründe: Die Gespräche, die Beitrittskandidaten wie die Türkei oder Serbien führen, werden fortgesetzt, doch sind sie so komplex, dass sie ihre Zeit brauchen. Und Qualität müsse auch vor Tempo kommen, stellte Hahn fest. Doch deutete er an, die Zollunion mit der Türkei ausweiten zu wollen und an der Blockade der Verhandlungen der EU mit Mazedonien zu arbeiten.

Umstrittene Bewerber - Konflikt der Interessen?

Während es gegen Hahn kaum Einwände gibt, sind am Mittwoch im Befragungsreigen gleich drei Kandidaten an der Reihe, deren Nominierung umstritten ist. So ist die Entscheidung Junckers teils auf Unverständnis gestoßen, ausgerechnet einen Briten mit den Agenden Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion zu betrauen. Jonathan Hill wird damit unter anderem für die Stärkung der Bankenunion verantwortlich sein, die sein Land ablehnt. Allerdings wandert die Aufsicht über die Bonuszahlungen für Banker in das Justizressort. Das war bereits bei der Präsentation der künftigen Kommission vor ein paar Wochen klar.

Großbritannien hat wegen der Deckelung der Banker-Prämien, die seit heuer einen bestimmten Rahmen nicht überschreiten dürfen, die EU-Institutionen vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt. Ein erster Spruch dazu wird für Anfang November erwartet.

Nach Hill stellen sich Tibor Navracsics sowie Miguel Arias Caneteden Fragen der Abgeordneten. Der Ungar, der in der Regierung von Premier Viktor Orban für einige in der Europäischen Union heftig kritisierte Gesetze mitverantwortlich war, soll sich in der Kommission um die Bereiche Bildung, Kultur und Jugend kümmern. Und der spanische Ex-Landwirtschaftsminister soll für Klimaschutz und Energie zuständig sein.

Schon im Vorfeld musste er sich gegen den Vorwurf wehren, dass ihn die Übernahme dieses Postens in einen Interessenskonflikt stürzen würde. Das sind Bedenken, die auch Jonathan Hill entgegengebracht werden.

Canete besaß nämlich noch vor einigen Wochen Anteile an Ölunternehmen. Mittlerweile hat er sie zwar verkauft, doch ist er mit den Betrieben weiterhin verbunden - durch Familienmitglieder, die dort tätig sind. Auch Hill war noch vor einiger Zeit Besitzer von Anteilen an einer Firma, die in Lobbying-Aktivitäten in Brüssel involviert ist.

Diese Verbindungen zu unterschiedlichen Konzernlobbys prangern globalisierungskritische Organisationen an und solche, die sich für transparentes Lobbying einsetzen. So weisen Attac und Corporate Europe Observatory (CEO) darauf hin, dass etwa Hill im Laufe seiner Karriere mehrfach zwischen Politik und Lobbyagenturen gewechselt habe. Eine von ihm mitbegründete Firma vertrete auch Unternehmen im Finanzsektor. Vicky Cann von CEO gibt an, dass die Finanzindustrie 1700 Lobbyisten beschäftigt: "Wir brauchen keinen Kommissar als Nummer 1701."