Zum Hauptinhalt springen

Eine Chance für Österreichs neutrale Vermittlerrolle

Von Stephanie Liechtenstein

Gastkommentare

Gastkommentar: Der OSZE-Vorsitz ist von vielen Unsicherheiten geprägt, er birgt aber auch neue Möglichkeiten, die österreichische Diplomatie zwischen Ost und West zu positionieren.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Am 1. Jänner hat Österreich den Vorsitz in der OSZE von Deutschland für ein Jahr übernommen. Für den Vorsitz hat sich Österreich drei Schwerpunkte gesetzt: die Entschärfung bestehender Konflikte, wie jener um die Ukraine, den Kampf gegen Radikalisierung (vor allem der Jugend) und gegen gewaltsamen Extremismus, sowie die Wiederherstellung von Vertrauen innerhalb der Staatengemeinschaft, sowie zwischen Bürgern und Institutionen.

Abgesehen von diesen Prioritäten muss sich Österreich auf die Rolle des Vermittlers und Brückenbauers einstellen.

OSZE-Vorsitzender als Erster unter Gleichen

Da in der OSZE das Konsensprinzip herrscht, muss Österreich als OSZE Vorsitzland zwischen den 57 Teilnehmerstaaten bestehend aus den europäischen Staaten, den USA, Kanada, Russland, der Mongolei und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion vermitteln. Die Neutralität kann Österreich bei der Ausübung dieser Funktion zugutekommen. Das hat sich bereits im Jahr 2014 während des Schweizer OSZE Vorsitzes gezeigt, der trotz des eskalierenden Konfliktes um die Krim und die Ostukraine als neutraler Vermittler einen Konsens zur Entsendung der Beobachtermission in die Ukraine zustande brachte.

In der Funktion des OSZE-Vorsitzenden, die der österreichische Außenminister Sebastian Kurz innehat, dürfen außerdem laut OSZE-Ministerratsentscheid aus dem Jahr 2002 nur Positionen vertreten werden, die mit Konsensentscheiden der übrigen OSZE-Staaten übereinstimmen. Als OSZE-Vorsitzender kann Kurz wichtige Akzente setzen, Initiativen ergreifen, Sonderbeauftragte ernennen und sich für die maximale Nutzung der OSZE-Instrumente einsetzen. Er kann jedoch keine Entscheidungen treffen, die nicht von allen übrigen OSZE-Staaten mitgetragen werden. Der OSZE-Vorsitzende wird daher gerne als "Erster unter Gleichen" bezeichnet.

Außerdem wird der österreichische OSZE-Vorsitz in den kommenden Monaten vor allem durch institutionelle Entscheidungen gefordert sein. Dabei steht viel auf dem Spiel.

Nachbesetzung von Schlüsselpositionen

Drei wichtige OSZE Institutionen müssen während des österreichischen OSZE Vorsitzes neu besetzt werden. Dabei handelt es sich um das in Warschau ansässige Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte, das in Den Haag ansässige Büro des hohen Kommissars für nationale Minderheiten sowie das in Wien ansässige Büro des OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit. Außerdem läuft die Amtszeit des OSZE-Generalsekretärs, des italienischen Diplomaten Lamberto Zannier, im Juni aus. Nach und nach tauchen Namen für mögliche Nachfolgekandidaten auf, wie jener des Schweizer Karrierediplomat Thomas Greminger, der des ehemaligen EU Kommissars tefan Füle oder des ehemaligen slowenischen Präsidenten Danilo Turk.

Die Nachbesetzung dieser vier Schlüsselpositionen gilt als heikel, da Russland, sowie einige Ex-Sowjetstaaten, die drei unabhängigen OSZE-Institutionen sehr kritisch betrachten. Moskau ist vorwiegend an den politisch-militärischen Tätigkeiten der OSZE interessiert und würde gerne den Bereich der Menschenrechte, der Medienfreiheit oder der Wahlbeobachtung reduziert sehen.

Der österreichische OSZE-Vorsitz muss sich daher auf zähe Verhandlungen einstellen und wird gefordert sein, geschickt die Interessen von Ost und West auszugleichen. Die Ernennung einer Persönlichkeit aus dem Raum der ehemaligen Sowjetunion als Chef einer der drei Institutionen im Rahmen eines "package deals" könnte dabei behilflich ein.

Vermittlung im Ukraine-Konflikt

Von ähnlicher Dringlichkeit ist die Verlängerung der Mandate der OSZE-Missionen in Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan sowie Armenien, die bereits ausgelaufen sind. Auch hier ist der österreichische OSZE-Vorsitz gefordert, über Verhandlungen zu einer Einigung zu kommen, um die endgültige Schließung dieser Missionen, die besonders wertvolle Arbeit vor Ort leisten, zu verhindern. Auch das Mandat der zivilen Sonderbeobachtermission der OSZE in der Ukraine muss im März verlängert werden.

Abgesehen von der Sonderbeobachtermission in der Ukraine, an deren Arbeit auch 19 Österreicher beteiligt sind, wird die Trilaterale Kontaktgruppe, die Details zur Umsetzung der Minsker Vereinbarung verhandelt, durch den österreichischen Diplomaten Martin Sajdik geleitet.

Übergeordnete politische Fragen zum Ukraine-Konflikt werden im sogenannten Normandie-Format geklärt. Dieses Verhandlungsformat wurde im Juni 2014 am Rande der Gedenkfeier zur Landung der Alliierten in der Normandie zwischen Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine ins Leben gerufen. Es tagt auf Regierungs- beziehungsweise Außenministerebene. Da Österreich in diesem Format nicht vertreten ist, wird es für Kurz wichtig sein, einen Konnex zu diesen Gesprächen herzustellen, etwa über das OSZE-Troika-Mitglied Deutschland.

Als OSZE-Vorsitzender kann Außenminister Kurz Akzente setzen, wie bereits durch den Besuch an der Frontlinie in der Ostukraine Anfang Jänner veranschaulicht wurde. Kurz hat vorgeschlagen, die EU-Sanktionen gegen Russland "Zug um Zug" abzubauen, im Abtausch für konkrete Fortschritte vor Ort, die derzeit aber auf sich warten lassen. Dadurch soll laut Kurz eine "positive Dynamik" erreicht werden. Der Handlungsspielraum ist dabei jedoch eingeschränkt, denn einen Abbau der Sanktionen kann Kurz nicht alleine entscheiden, sondern nur zusammen mit seinen EU Partnern.

Rüstungskontrolle und Sicherheitsdialog

Abgesehen davon ist abzuwarten, wie sich die USA in Bezug auf den Konflikt in der Ukraine positionieren werden. Wenn das klarer wird, sollte der österreichische OSZE-Vorsitz noch einmal abschätzen, ob es klug ist, einen Abbau der Sanktionen voranzutreiben, oder ob es doch besser ist, der Ukraine den Rücken zu stärken. Denn Beobachter fürchten, dass der designierte US-Präsident Donald Trump die US-Unterstützung der territorialen Integrität der Ukraine aufgeben könnte.

Konkrete Akzente kann der österreichische OSZE-Vorsitz mit dem Aufbau eines strukturieren Dialoges zu europäischen Sicherheitsthemen innerhalb der OSZE setzen. Ein Mandat dazu wurde beim OSZE-Ministerrat in Hamburg verabschiedet, nachdem Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Rahmen des deutschen OSZE-Vorsitzes eine Initiative zur Wiederbelebung der Gespräche zur konventionellen Rüstungskontrolle lanciert hatte.

Diese Initiative war besonders klug, da das bestehende System der konventionellen Rüstungskontrolle seit dem Jahr 2007 erheblich unter Druck geraten ist, als Russland den Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa, der Obergrenzen für schwere Waffen vorsieht, aufkündigte.

Ohne ein System der konventionellen Rüstungskontrolle können Konfliktherde wie jener in der Ukraine nicht gelöst werden und ein Wettrüsten kann nicht verhindert werden.

Österreich hat als OSZE-Vorsitzland nun die einzigartige Chance, als Vermittler einen Dialog zwischen Russland und dem Westen zu übergelagerten Sicherheitsthemen zu leiten. Die Neutralität kann Österreich dabei zugutekommen.

Stephanie Liechtenstein ist freischaffende Autorin und seit 2012 Online-Chefredakteurin und Mitglied der Redaktionsleitung von "Security and Human Rights", einer Fachzeitschrift, die sich der Arbeit und den Grundsätzen der OSZE widmet. Davor hat sie für die OSZE in Wien gearbeitet, unter anderem im Kabinett des OSZE-Generalsekretärs.