Wachstum schwächt sich 2012 auf 0,4 (Wifo-Prognose) oder 0,8 Prozent (IHS) ab.
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Wien. Österreich kann sich weiterhin auf "seinen treuen Freund" namens Konjunkturbonus verlassen, sagte Wifo-Chef Karl Aiginger am Mittwoch. Das Wachstum lag nämlich in den vergangenen Jahren stets über jenem der Eurozone und der EU. "Ein Plus von 0,4 Prozent in einer stagnierenden Eurozone 2012 ist eine gute Leistung." Damit spendete Aiginger ein wenig vorweihnachtlichen Trost bei einer Winterprognose, die einen deutlichen Einbruch gegenüber dem heurigen Wachstum von 3,2 Prozent verheißt. 2013 soll sich die Erholung laut Wirtschaftsforschungsinstitut auf 1,6 Prozent Plus beschleunigen.
Aiginger sieht für nächstes Jahr zwar eine "Delle", aber noch keine Rezession im Anmarsch. Allerdings spricht er von einem optimistischen Szenario, bei dem keines von vielen Risiken schlagend wird: So darf kein Eurostaat pleitegehen, die Zinsen auf Staatsanleihen dürfen nicht weiter steigen - und das Banksystem muss stabil bleiben, damit die drohende Kreditklemme auf einzelne Länder (gerade Osteuropa ist gefährdet) beschränkt bleibt.
Das Institut für Höhere Studien (IHS) ist optimistischer: IHS-Chef Bernhard Felderer erwartet für Österreichs Wirtschaftsleistung 2012 einen Zuwachs von 0,8 und für 2013 von 1,9 Prozent. Er sieht überwiegend, aber nicht nur Abwärtsrisiken. Das IHS schätzt den Ausblick für die USA und Deutschland rosiger ein.
Felderer ist zudem der Meinung, dass Österreichs Politik sehr wohl Wachstumsimpulse setze: Es sei zwar unbefriedigend, wenn Infrastruktur- und Bildungsausgaben nicht erhöht werden - sie wurden aber zumindest auch nicht gekürzt.
Erstmals höhere Reallöhne
Die Investitionen sind nur "kurz aufgeflackert" und werden im kommenden Jahr keine große Stütze sein. Die Exporte haben den Konjunkturkarren kräftig aus der Krise gezogen, werden aber ebenfalls keinen großen Nettobeitrag zum Wachstum leisten. Ein konstant positiver Faktor sind die privaten Konsumausgaben: Während diese zuletzt auf Kosten der Ersparnisse gingen, wird den Österreichern 2012 erstmals seit drei Jahren abzüglich der Inflation mehr im Geldbörsel bleiben: Die Reallöhne steigen.
Sorgen bereitet in den kommenden Jahren der Arbeitsmarkt - und das, obwohl immer mehr Menschen in Arbeit stehen. "In zwei Jahren ist die Zahl der Beschäftigten um 100.000 gestiegen, das ist keine Kleinigkeit", sagte Aiginger. Dennoch werde die Arbeitslosenrate von derzeit 6,8 Prozent ansteigen und 2013 - mit 7,4 Prozent oder 263.000 Personen ohne Job - sogar höher sein als der Krisenwert von 2009 (7,2 Prozent). Das IHS ist etwas zuversichtlicher und erwartet "nur" 7,0 Prozent.
Mehr sparen zum Investieren
Die schwächelnde Konjunktur und steigende Arbeitslosigkeit machen die Sanierung des Staatshaushaltes schwierig. "Beschäftigung schaffen bei gleichzeitiger Konsolidierung ist eine Herausforderung", betont Wifo-Chef Aiginger. Deshalb müsse umso stärker auf Maßnahmen geachtet werden, die dem Wachstum nicht schaden. Dabei sind sich die Ökonomen einig, dass die Steuern in Summe nicht mehr werden sollen - die Abgabenquote sei in Österreich hoch genug. Während Aiginger sich aber vermögensbezogene Steuern vorstellen kann, wenn im Gegenzug die Belastung der Arbeit sinkt, sind diese für seinen IHS-Kollegen tabu, sofern sie die Substanz besteuern - abgesehen von Grundsteuern: "Dass höhere Steuern das Wachstum befördern, wäre das erste Mal", so Felderer. Besonders schädlich wären alle Formen einer höheren Unternehmens- oder Körperschaftssteuer.
Aiginger würde sich wünschen, dass Österreichs Politiker in Summe drei Milliarden Euro an Konsolidierungsmaßnahmen einplanen, damit eine Milliarde in eine Wachstumsoffensive fließen kann. So ließen sich die Anlaufkosten für wichtige Investitionen verkraften: bessere Ausstattung der Schulen, damit Lehrer dort länger arbeiten können. Schließung oder Umbau von Bettenstationen in Tagesambulanzen. Thermische Sanierung zur Senkung der Energiekosten sowie Weiterbildungsangebote für Arbeitslose: All das würde sich längerfristig amortisieren.
Aiginger hält es für machbar, diese 3 Milliarden Euro aufzustellen, wenn auch nicht alles im ersten Jahr. IHS-Kollege Felderer hält das für unrealistisch. Österreich und Europa sollten sich die Frage stellen, warum sie langsamer wachsen als der Rest der Welt: Er empfiehlt weniger staatliche Intervention, ein längerfristig vorhersehbares Steuersystem und höhere Leistungsanreize.